Kopf an Kopf − das zweite Album unter der Neubesetzung mit Sängerin Anna Loos − stieg sofort auf Platz 2 der deutschen Albumcharts ein. Verantwortlich für diesen Erfolg ist nicht zuletzt auch die von allen großen Radiostationen hoch und runter gespielte Hitsingle "Deine Stärken". Eine Single, zusammengefügt aus einem melodischen Pop- und einem gefühlsbetonten Text-Teil, ganz nach den Erfolgsmodellen à la Rosenstolz und vergleichbaren Popsternchen dieses Genres und Jahrzehnts.

Mit Rockmusik hat das nichts zu tun. Ist aber eine dem Album vorauseilende Andeutung, die bei alteingeschworenen Silly-Fans sofort eines klar machen sollte: Kopf an Kopf, das sind Silly. Aber die Silly von heute, nicht die von damals und nicht die mit Tamara Danz. Punkt! Und diese Band um Anna Loos, Ritchie Barton, Uwe Hassbecker und Jäcki Reznicek veröffentlicht gemeinsam ein optisch auf den ersten Blick interessantes Gegenwartswerk, das jedoch inhaltlich wesentlich bescheidener wirkt, als es die exzellenten und erfahrenen Musiker erwarten lassen. Kein Grund zur Besorgnis: die Personalie und die Promotion-Bemühungen der omnipräsenten Frontfrau werden dafür sorgen, dass das Album kein Ladenhüter sein wird.

Für die Qualität der Band spricht das allerdings nicht. Jener Band, die sich so wehrt, weil sie endlich als gesamtdeutsche Rockband wahrgenommen werden will. Schluss mit Reduzierungen auf ein Ost-Phänomen! Und Silly möchte an ihrer aktuellen Leistung gemessen werden, nicht diese Damals-Vergleiche! Zu Recht, das steht der Band zu! Und deshalb muss es auch gegenwärtig heißen: Willkommen Silly! Willkommen in der Mittelmäßigkeit! Das neue Album, das in seiner Gänze zu vollgefrachtet und lang ist, setzt sich aus insgesamt drei unterschiedlichen Lagern zusammen. Das erste Lager enthält die ruhigen, melancholischen Balladen. Dazu gehört unter anderem der ernste Titel "Blutgeschwister".

Im zweiten Lager befinden sich die Songs, die ein bisschen Bewegung abbekommen haben und die Radiostationen mit Nachschub versorgen werden. Stellvertretend für diese Kategorie seien die Pop-Rock-Nummern "Kopf an Kopf" und "Verkehrte Welt" genannt. Last but not least besteht das dritte Lager aus Titeln, die − eigentlich logisch − weder in Lager eins noch zwei passen, unabhängig von ihrer Qualität. Titel wie "Vaterland", die politisch gefärbt sind und plötzlich aufhorchen lassen, weil sie für kurze Zeit von der Mittelmäßigkeit der anderen Songs ablenken. Auch bei aller Sympathie, die man Anna Loos gegenüber verspürt, ihr eine stimmlich überragende (Eigen-)Leistung zu attestieren, wäre schlicht und einfach nicht zu begründen.

Das gesamte Album hindurch hört das geschulte Ohr immer wieder nicht wirklich sie, sondern mal Anna R., mal Nena, mal Christina Stürmer. Gute Momente, wie in "Deine Stärken" oder "Die Welt wird hell sein" sind leider rar gesät. Andere Kritikpunkte sind die wenig anspruchsvollen Texte, die oft belanglosen Dudel- und Geschunkel-Melodien und die Gleichmäßigkeit, die es dem Hörer so schwer macht zu unterscheiden, welcher Titel gerade oder immer noch spielt. Insgesamt ist Kopf an Kopf ein typisches Album, wie es sie in diesem Qualitätssegment schon zu Tausenden gibt. Schade, aber: Willkommen in der Mittelmäßigkeit!