Wir sind Helden hatte das Glück, das nur sehr wenigen Bands vergönnt ist: Ihr Debütalbum schlug ein wie eine Bombe und ein Hit folgte dem nächsten. Kein Wunder also, dass das drohende, zweite Album wie eine meterhohe, unüberwindbare Wand erschien. Doch die Helden haben sich auf das besonnen, was sie am besten können, nämlich Musik machen und haben alle Sorgen um den Erwartungsdruck beiseite geschoben. "Von hier an blind" heißt das mit so viel Aufmerksamkeit bedachte Album, das nun in die sehr großen Fußstapfen des Vorgängers "Die Reklamation" treten muss und will. Noch mehr als beim Debüt haben die vier das Songwriting als Band vorgenommen. Jeder steuerte seinen Teil bzw. seine Musik bei und Judith kümmerte sich um die Texte. Zugegeben, das klingt nicht wirklich außergewöhnlich, das Ergebnis dagegen schon. Denn "Von hier an blind" ist nicht ein bloßer Nachfolger oder noch schlimmer, ein Aufguss des erfolgreichen Wegbereiters. Nein, das zweite Album ist wesentlich runder und ausgereifter. Dafür blieb die rebellische Note ein wenig auf der Strecke, aber Wir sind Helden wollen sich nicht wiederholen und zum Thema Konsumkritik haben sie wohl schon alles gesagt. Ist auch nicht weiter schlimm, denn es gibt noch genug, über das es sich zu singen lohnt. Die erste Singelauskopplung "Gekommen um zu bleiben" ließ schon ahnen, dass alles ein wenig anders wird. Die Single ist vom Stil und von der Stimmung her so gar nicht typisch für das neue Album. Man hat sie wohl aufgrund ihrer Aussage hin als erste Auskopplung gewählt. "Von hier an blind" bietet nämlich weitaus tiefgreifendere Lieder. Das fängt schon mit dem ersten Song "Wenn es passiert" an. Auch er enthält, wie "Gekommen um zu bleiben", Anspielungen auf die Zeit zwischen erstem und zweitem Album, ist aber gleichzeitig ein Barometer für das ganze Album. Mehr Melancholie, verschlungen, verworren und doch wundervolle und ergreifende Texte und natürlich auch wieder ein wenig was zum Mitgrölen. Es gibt wieder diese Songs, die sofort hängen bleiben, die man nicht mehr los wird. "Ein Elefant für dich" ist ein Beispiel dafür, eine bewegende Liebeserklärung mit schöner Melodie. Raum für Interpretationen ließen die Helden schon beim letzten Album, aber diesmal lassen sie dem Hörer noch mehr Freiraum. "Darf ich das behalten" singt man mit und jeder, der das tut, wird sich etwas anderes unter dem vorstellen, das er behalten will. Ein toller Song. Aber natürlich sind da auch diese Songs wie "Zuhälter", die mit einer gewissen Portion Aggressivität und Wortspielen ("das kälteste Gewerbe der Welt") jede Menge zum Mitschreien bringen. Es ist schon fast unglaublich, dass "Von hier an blind" so gut wie keine einzige Schwachstelle aufweist. Dass die Helden so befreit aufspielen, hätte wohl niemand gedacht und ja, das zweite Album ist besser als das erste. Sie sind wirklich gekommen und zu bleiben, daran zweifelt nach diesem Album niemand mehr.