Als ich 2019 fast wie betäubt von meinem letzten Welle:Erdball Konzert zurückkehrte, musste ich über das gruselige Erlebnis berichten. Es war ganz fürchterlich und meine gute Beziehung zu dem traditionsreichen Projekt nachhaltig beeinträchtigt. Hannes Malecki, jetzt unterwegs mit drei neuen Mitstreitern, hatte ein Zerrbild der alten Glanztaten präsentiert. Gut, die Bühnenshow war zwar unentschuldbar, aber man kann zumindest Aufregung und Unerfahrenheit vermuten, aber auch gesanglich kamen die neuen Mitstreiterinnen nicht an ihre Vorgängerinnen heran und Malecki schwächelte auch. Damals dachte ich noch, dass es am Live lag, jetzt bin ich mir gar nicht mehr so sicher. Willkommen bei ‚Engelstrompeten & Teufelsposaunen‘:

Es ist wenig überraschend, wenn sich Bands, die schon länger im Geschäft unterwegs sind, den Kontakt zu einem Orchester suchen, um altes Material neu aufzubereiten und damit rentablen Fan-Service zu betreiben. Das geht meist auch ganz gut, so ein Orchester kann ja wenig verhauen und klingt wenig überraschenderweise gut – wichtig ist nur, dass der Arrangeur die Stücke stimmig und interessant auf sein Orchester und ihre Möglichkeiten zuschneidet, ohne zu viel von der Essenz der Ursprungsstücke zu verlieren. Dass nun auch die Welle:Erball ein solches Werk vorlegen überrascht mich persönlich weniger als die Schreiberlinge der Promoschreiben – ja, man ist bekannt für den minimalen Elektrosound und Commodoreverliebtheit, aber am Ende ist es Musik, die man schrieb und die nun neu vertont wird. Und ob nun eine Black Metal Band, Goth Rocker oder Elektroniker wie VNV Nation – auch die sind kein Orchester und der Schritt ein Wagnis. Die Lieder der Welle:Erball klingen auf dem im letzten Jahr erschienenen Werk wirklich gut, das muss man schon sagen: Conrad Oleak hat für das 40 köpfige Orchester, das bereits bei oben genannter VNV Nation Platte wirkte, alle enthaltenen Stücke mühevoll umgeschrieben und ich möchte eines wirklich begeistert feststellen: Man verzichtete Instrumental komplett auf die Originalausrüstung elektronischer Natur. Auf ‚Engelstrompeten & Teufelsposaunen‘ hören wir das Orchester und den Gesang. Und instrumental ist es ein ganz wundervolles Erlebnis und lässt die großen Hits und manch einen weniger bekannten Track leuchten. Ob nun der „VW Käfer“, der gute alte „Starfighter f-104k“ oder „Arbeit adelt“, die allesamt noch stark nach vorne gehen und durch den die Beats ersetzenden Schlagzeugeinsatz ordentlich tanzbar bleiben oder eher die wundervoll zart umgesetzten „Funkbereit“, „Mumien im Autokino“ oder „Ich bin nicht von dieser Welt“ – die Stücke funktionieren auch in diesen Versionen. Denn seien wir ehrlich: Die Welle:Erdball waren seit jeher sehr, sehr, sehr, sehr nah dran am Schlager, kaschierten dies mit quäkigen Sound aber schrieben eben Stücke, die nun doch sehr geeignete Refrains für pompöse Klänge innehielten. Und Maleckis Gesang ist grundsätzlich auch gut geeignet, um vor einem vollen Sound zu glänzen. Und mit dem „grundsätzlich“ leite ich zu meinem Kritikpunkten über: Alle Vocals. Punkt. Das war einfach. Etwas genauer: Der weibliche Gesang ist wie bereits bei meiner letzten Live-Erfahrung nur okay, etwas wenig kraftvoll und kein Vergleich zu den Vorgängerinnen. An manchen Stellen, wie zum Beispiel bei „Nur in meinem Traum“ als schiefer Hintergrundchor, ist Notentreue ein Fremdwort. Aber auch Malecki ist nicht (mehr?) in Bestform. Ja, grundsätzlich klingt er wie gewohnt, ist ja auch die selbe Person geblieben. Jedoch wenn ich auf den Refrain von „Gib mir mein Gefühl zurück“ oder auf „Arbeit adelt“ schaue, dann wird deutlich, dass da weniger Power hintersteckt und auch nicht jeder Ton sitzt. Vor allem vor einem so perfekt spielenden Orchester, vor einem so vollen Sound wird dies umso deutlicher.

Fassen wir die Punkte auf der Haben-Seite zusammen: Die alten Melodien, zum Teil Jahrzehnte, wurden mühevoll neu arrangiert und fantastisch vom Orchester umgesetzt. Kritik üben muss ich an der Welle:Erdball in der gegenwärtigen Verfassung. Das Album ‚Engelstrompeten & Teufelsposaunen‘ lege ich allen Freunden des Projektes ans Herz, denn auch wenn der Gesang wirklich mager ist, ist die instrumentale Leistung umwerfend und steht den Stücken ungemein – und „Die Computer verlassen die Welt“ soll an dieser Stelle stellvertretend für viele schöne Höreindrücke al mein Favorit benannt sein. Ich sehe das Werk aber klar als Sonderformat und nicht als aktuelles Lebenszeichen eines Projektes im Wandel – und an dieser Stelle trage ich die Sorge in mir, dass nach wenig überzeugendem letzten Release, miserablem Konzert und vorliegender Präsentation am Mikro meine Welle:Erdball der Vergangenheit angehört, die sie doch immer so glorifizierten.

 

Welle:Erdball

Engelstrompeten & Teufelsposaunen

 

20.11.2020

Oblivion (spv)

 

https://www.welle-erdball.info/

 

01. Funkbereit
02. VW Käfer
03. Mumien im Autokino
04. Deine Augen
05. Nur in meinem Traum
06. Gib mir mein Gefühl zurück
07. Starfighter F-104k
08. 1000 Engel
09. Ich bin nicht von dieser Welt
10. Das muss Liebe sein
11. Arbeit adelt
12. Die Computer verlassen die Welt