Der Herbst bietet momentan keine Zeit für die ihm oftmals zugebilligte Depression: fast täglich landen Infos bzw. Promos zu neuen Alben aus dem Genre des Synthpops auf meinem Schreibtisch, so dass die Flut an interessanten Veröffentlichungen allenfalls in oberflächlichen Kurzreviews abzuarbeiten wäre. Doch manche CD verdient es, beidohrig bei voller Konzentration gehört zu werden. So wie das zweite Album des schwedischen Trios „Vogon Poetry“, das bislang nur Insidern bekannt war, nun jedoch mit Scent Air Records einen weltweiten Vertriebspartner gefunden hat. Das Debüt „Don’t Panic“ bot im vergangenen Jahr fröhlichen, verspielten Synthpop mit Anleihen an die früheren „Erasure“ oder „Elegant Machinery mit guter Laune“. Da zirrpte und blubberte es unbeschwert aus den Boxen, so dass selbst der hartnäckigst gefrorene Zuckerguss unter den warmen Klängen zu schmelzen begann. Die optimistische Titelgebung tat ihr Übriges: Vogon Poetry hatten ihren Ruf als offensiv-lebensbejahende Kapelle mit typisch schwedischer Melodiefolklore weg. Als kleines Korrektiv schieben Roger Tell, Daniel Onnerby und John Andersson nun den Nachfolger „The Perfect Stories“ nach. Was zunächst wie die inoffizielle Fortsetzung des unaufgeregten „Don’t Panic“ anmutet, mutiert bei genauerer Anhörung zu einer mittelschweren klanglichen Neudefinition. Zwar hält das Songwriting nach wie vor höchsten Qualitätsansprüchen stand, doch das wolkenlose Stimmungshoch muss sich fortan das Himmelsfirmament mit ein paar bedrohlich düsteren Tiefdruckgebieten teilen. „Moll ist Trumpf!“ fungiert als heimlicher Titelgeber der synthetischen Geschichten aus Göteborg. Ob beim hymnischen „Never Too Late“, das den wahrscheinlich leidenschaftlichsten Gesang des Jahres bietet, oder dem raumfüllenden Opus „The Great Big Nothing“ - „Vogon Poetry“ spielen nicht mehr im verträumten Kinderzimmer, sondern auf der großen Theaterbühne. Die melancholische Herbststimmung hellt sich nur rudimentär auf, primär immer dann, wenn es tanzbarer wird. „Hyper Space Bypass“ und „Afraid“ seien als „sichere“ Nummern für jede Synthpopparty-Playlist empfohlen. Nach neun Tracks, die in der Zusammenstellung abwechslungsreicher und soundtechnisch insgesamt vielschichtiger als das zahme Debüt daherkommen, beendet die groovende Ballade „Virtues“ das vierzigminütige Intermezzo der drei Herrschaften und verabschiedet den Rezensenten in ambivalente Gedanken bezüglich der Einordnung des soeben Gehörten. Clevere Kompositionen, ein ausdrucksstarker Gesang und die mutige Entscheidung, die Melodien in den Vorder- und stupides Beatgewitter in den Hintergrund zu rücken, hätten die Höchstwertung verdient. Andererseits fehlen für einen nachhaltigen Wiedererkennungswert die echten Hits sowie eine professionellere Produktion, die das Ausgangsmaterial noch „fetter“ hätte erklingen lassen können. Doch 4,5 Sterne bedeuten dennoch eine Empfehlung für Freunde des puristischen Synthpops, knappe 11 € in den Erwerb des Silberlings (Link in der rechten Spalte) zu investieren.