Das Jahr 2019 war vor allem in der zweiten Hälfte voller neuer Alben, die mich erreichten und über die ich schreiben durfte. Und es sind noch einige auf meinem Tisch, an die ich mich nicht herangewagt habe, einfach, weil sie noch eine Weile in meinem Unterbewusstsein arbeiten mussten. Nun wird aufgeräumt, 2020 ist schon ziemlich alt und es wird einfach Zeit.

Amber Asylum aus San Fransisco und Völur aus Torronto teilen sich nicht nur die ein oder andere Gemeinsamkeit, sondern nun auch ein Album – seit November 2019, um genau zu sein. Beide Projekte bauen ihren Klangkosmos auf Streicher auf, kommen aber aus ganz unterschiedlichen musikalischen Richtungen: Völur eher aus dem Doom, Amber Asylum eher aus der Neoklassik. Beide Projekte stehen für sich wenig anbiedernde Musik, die den Hörer eher vor eine Aufgabe stellen, als ihn zu umgarnen. Und beide Projekte sind bei Prophecy unter Vertrag – warum also nicht die Sympathien und einen Tonträger teilen? Willkommen bei 'Breaker of rings / Blood Witch'.

Dieses Album brauchte wirklich einiges an Zeit. Nein, es liegt nicht an mangelnder Qualität, sondern an der sperrigen, klomplex-verschlossenen Art, die so gar nicht in meinen durch Alltag und Wahnsinn getriebenen Jahresabschluss passen wollte – ich konnte mich schlicht und ergreifend nicht einlassen auf das Geschehen. Nun aber habe ich wirklich Dutzende von Hördurchlaufen hinter mir und kann mich an ein Urteil wagen. Komplex aber durchaus lohnend. Völur beginnen auf der A-Seite mit 4 Stücken, die der Einfachheit halber nur durchnummeriert wurden. "I" startet ganz ruhig, die Violine von zurückgenommenden Drums begleitet, ein klein wenig Gitarreneinsatz, aber spärlich. "II" ist dann ein sich dahinschleppendes Ritual mit gedehntem, klarem Gesang, omnipräsenter Violine, sich steigerndes, stampfendes Drumming, in den Hintergrund gerückter Bass-Arbeit und dramatischen Effekten. Klasse. Auf dieses Stück folgt Ruhe, "III" ist ein sanftes, leicht bedrohlich wirkendes Stück klassischer Streicherarbeit das im mit 10 Minuten deutlich als Höhepunkt zu wertendem "IV" mündet. Orgelklänge, drohende Drums, doomige Riffs und ein Wechselspiel aus Violinen und erschöpft wirkenden Growls – Völur schaffen hier eine Verbindung zwischen ihrem bisherigen Werk und den drei Stücken auf vorliegendem Album. Auch Amber Asylum präsentieren auf ihrer B-Seite 4 Stücke, auch hier steht die Streicherarbeit im Mittelpunkt und auch sie entfernen sich auf dem Album von ihrem bisherigen Sound. "Séance" startet als instrumentales Ambient Stück, nach zwei Minuten verstört die Violine kurz, dann geht es unbeiert nebulös weiter. Die "Blood witch" ist mit 11 min Spielzeit Kern des Amber Asylum Beitrages und ich werde mit diesem Stück folkig-doomiger Wiederholung nicht wirklich warm. Es ergreift mich einfach nicht, erinnert jedoch schwer an die Stimmung der Current 93 Alben kurz vor 89/90, als David Tibet noch unbequemer tönte. "Swarm Interlude" zählt nicht wirklich als Track und "Largo" schließlich ist der für mich beste Titel der B-Seite. Ein reines Streicherinstrumental, fragil und wirklich bereichernd.

Puh, ich merke, dass es mir selbst im Schreiben erneut schwer fällt, meine Eindrücke in Worte zu fassen. Es ist löblich und spannend, dass beide Projekte aus ihrer Komfortzone heraustreten und aus jeweils unterschiedlichen Richtungen auf ein neues, gemeinsames Ziel zusteuern. Dass es mir gerade die beiden Instrumentalstücke "II" und "Largo" und nicht die beiden jeweiligen 10 min Brecher angetan haben ist für mich aber bemerkenswert. Völur und Amber Asylum haben sicherlich eine echte Herausforderung geschaffen, ein leises, unbequemes und zähes Erlebnis. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das Ergebnis irgendjemanden wirklich umwerfen kann – man kann viel Zeit mit den insgesamt 44 min verbringen, am Ende meiner Zeit mit 'Breaker of rings / Blood Witch' lautet mein Urteil aber nur 'in Ordnung'.

 

Völur / Amber Asylum

Breaker of rings / Blood Witch

 

01.11.2019

Prophecy Productions

 

https://volur.bandcamp.com/album/v-lur-amber-asylum-breaker-of-rings-blood-witch

 

01. I

02. II

03. III

04. IV

05. Séance

06. Blood witch

07. Swarm Interlude

08. Largo