Kenner der englischen Sprache und Fans von „Startrek - The Next Generation" haben mehr vom Leben, weil sie das Wortspiel „Futureperfect" auf Anhieb verstehen können. Alle anderen mögen sich nicht grämen, auch wenn ich an dieser Stelle keine Nachhilfe in englischer Grammatik zum Besten geben werde. Auch soll hier nicht näher auf die eigenwillige Schriftart des Covers eingegangen werden, die so manchen zum Legastheniker mutieren lässt, wie die Internetseite des Versenders „Infrarot" sehr deutlich zeigt.

Für die perfekte Zukunft von VNV Nation dürfte indes gesorgt sein, denn die beiden Herren aus Irland haben einen Status erreichst, in dessen Rahmen man deren Pupsen zigtausendfach auf CD gepresst verkaufen könnte. Wäre vielleicht keine schlechte Idee gewesen, zumal einige Stücke klingen, als wären sie nach dem Motto entstanden: „Auf der CD ist noch Platz, machen wir schnell noch was drauf!" Immerhin sind Ronan Harris und Marc Jackson nicht so unverfroren vorgegangen wie Covenant, die mehrere Minuten digitale Stille auf ihrer CD „United States of Mind" haben pressen lassen und das Ganze „You Can Make Your Own Music" genannt haben. Trotzdem muss man sich als passionierter Hörer fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, Tracks wie „Foreword", „4 AM" (sic!) oder „Liebestod" wegzulassen. Deren Belanglosigkeit kommt vor allem in Gegenwart der Dancefloor-Knaller „Beloved", „Epicentre", „Fearless", „Electronaut" oder ruhigeren Stücken wie „Holding On" erst richtig zu Geltung.

Immerhin findet das runderneuerte „Genesis" jetzt Gnade vor dem Schreiber dieser Zeilen, wiewohl die Single-Auskoppelung nur knapp dem verdienten Verriss entgangen ist. Das sonstige Fine-Tuning hat eine deutliche Verbesserung gegenüber dem vorveröffentlichtem Material gebracht; nur das damals schon „perfekte" „Holding On" blieb offensichtlich unangetastet. „Foreword" ist im Rahmen eines Konzertes sicher ein netter Anfang, um die Nerven der Zuschauer wie Drahtseile zu spannen, auf einer CD sind solche inhaltsleeren Showeinlagen für mein Dafürhalten deplaziert. Bei „Liebestod" hatte ich den Eindruck, als versuchen sich VNV Nation jetzt in Klassik. Da kann ich den Jungs nur empfehlen, dass sie bei ihren Leisten bleiben. Klassik kann der von mir verehrte „Ludwig van" besser. Inhaltlich setzt sich VNV Nation unter anderem mit der Zukunft der Menschheit und der von ihm bewohnten Planeten auseinander. Insbesondere bei dem Lied „Carbon" lohnt sich die Beschäftigung mit den Lyrics. Zum Zeitpunkt, als diese Zeilen entstehen, war die offizielle Seite nicht erreichbar, es ist jedoch zu erwarten, dass die Songtexte bald im Internet nachzulesen sind.

Eine dicke Überraschung insbesondere für Fans der ersten Stunde ist „VNV Nation" mit „Structure" gelungen. Da werden mit „Lacrimosa" und „L'Âme Immortelle" weichgespülte Ohren deren Besitzer zum CD-Spieler laufen lassen, denn hier wird Industrial vom Allerfeinsten geboten. Das war seit „Advance and Follow" von den beiden nicht mehr zu hören gewesen. Respekt, meine Herren! Richtig esoterisch wird es zum Schluss mit „Airships". Mein Geschmack ist das nicht, ich kann mir aber vorstellen, daß es einigen Leuten gefallen wird. Ronan empfiehlt seinen Fans, das doch vor dem Schlafengehen zu hören. Das kann natürlich jeder so halten, wie er will, aber ich mache vor dem Übergang in Morpheus Armen lieber etwas anderes... Nach einigem Durchhören ist mir aufgefallen, dass sich VNV Nation mit „Futureperfect" entgültig aus dem Einflussbereich von „Front 242" verabschiedet haben. Wurden auf „Advance and Follow" noch eifrig die Überväter der Electro-Szene zitiert - beispielsweise in „Afterfire" - so kann man mit diesem Album die Weiterentwicklung zu einem eigenem Stil als abgeschlossen betrachten. Insbesondere „Structure" lässt ahnen, dass die beiden Herren noch lange nicht das Ende ihres kreativen Potentials erreicht haben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass hier eine enorme Bandbreite an Stilrichtigen zu Gehör gebracht wird. Wenn ich die Belanglosigkeiten beiseite lasse, könnte ich mich zu der Bemerkung hinreissen lassen, „Futureperfect" sei das bisher beste Album von VNV Nation. Eine Kaufempfehlung kann ich mir an dieser Stelle jedoch sparen, denn wer in Zukunft diese fast perfekte CD nicht in seinem Schrank vorfindet, der gehört definitiv zu den Gelegenheitshörern der Electro-EBM-FuturePop-Szene. Mein Urteil: Wegen des absolut super-genialen „Beloved" gebe ich 5.5 Sterne.