Es ist eine lange, eigenwillige Geschichte - Velvet Acid Christ und Mastermind Bryan Erickson waren immer etwas Besonderes, immer etwas unbequem und nicht den Erwartungen und Verkaufszahlen verpflichtet. Klassische Alben wie die Sammlung 'Church of acid', 'Calling ov the dead' und natürlich 'Fun with knives' sorgten einerseits für Kultstatus aber bequem fühlten sie sich nie an, diese Sammlungen düsterer elektronischer Visionen. Und eine klare Linie in ihrer musikalischen Entwicklung kann ich zumindest nicht erkennen. Gerade in den letzten Jahren schwankten die Alben zwischen Rückbesinnung auf Dark Elektro Strukturen der 90er, 80er Elektronik, technoider Monotonie, Folk und Ambient - und wurden dementsprechend unterschiedlich in der Hörerschaft aufgenommen. Denke ich an die letzten beiden regulären Alben, so bin ich erfüllt mit Freude ('Maldire') und absoluter Enttäuschung ('Subconscious Landscapes'). Dementsprechend ging ich auch an das 2019er Werk 'Ora Oblivionis' heran: Mit gedrosselter Erwartungshaltung bei gleichzeitig kindlicher Spannung, was wohl diese Wundertüte bringen mag.

Tja, ich gebe zu, dass ich wie schon bei 'The art of breaking apart' vor 10 Jahren eine ganze Weile brauchte, um wirklich genießen zu können. Denn das Album ist zwar bei weitem kein Schnarcher wie sein direkter Vorgänger aus dem Jahre 2014, aber wirft gleichzeitig auch nicht mit offensichtlichen Hits um sich. Und so plätscherten die ersten Durchläufe ohne Rückstände durch meine Gehörgänge. Aber: Mit der Zeit entwickelten sich die zunächst an vielen Stellen etwas monoton wirkenden Lieder, das Zusammenspiel von angenehm quäkig analoger Elektronik, technoider Rhythmik, immer mal wieder auftauchenden stark verzerrten Riffs und den Vocals (die sich wieder aufteilen in Bryans klassisch verzerrtes Flüstern und Dianna Ricalde distanzierten Sprechgesang) funktioniert bei häufigem Kontakt immer besser. Ein wenig ungeschickt war in meinen Augen die Entscheidung, "Conviction" an den Anfang zu setzen: Dieser klassische und starke VAC Track wirkt wie ein Relikt älterer Alben aus den 90ern und als Hörer würde ich bei einem solchen Opener in der Folge weitere Stampfer dieser Coleur erwarten. Doch bereits das fantastisch betitelte "Adventures in babysitting the antichrist" nimmt etwas Wind aus dem Segeln und setzt eher auf düstere Walzenwirkung, "The bullet wins" geht ganz ähnlich vor und bietet ein schönes Wechselspiel zwischen harten Parts und Bryans Vocals, aufdringlichen Samples und etwas ruhiger wirkenden Parts mit Diannas Gesang. "The colours of my sadness" plätschert mir viel zu sehr dahin, doch "Twist the knife" überzeugt mich mit schön schrägem Riff, "Wrack" ist etwas zu geradlinig aber ausgesprochen tanzbar und "Trash" schließlich wartet noch einmal ähnlich "Twist the knife" mit härterem Riffing und schön destruktiven Vocals auf. Die folgenden 5 Songs fließen leider auch nach ausgesprochen vielen Durchläufen an mir vorbei – zu ruhig, aber für eine stimmungsvolle Atmosphäre wünschte ich ein Auslassen der Beats. Insgesamt aber eine erfreuliche Ausbeute für ein Projekt, das sich dem 30ten Geburtstag nähert.

Die BonusCD ist die 5te Ausgabe der 'Between the eyes' Reihe und bietet wieder einige bisher unveröffentliche Stücke. Was soll ich sagen: geht schon in Ordnung aber hat irgend jemand die Erwartung, dass da noch Großes kommen wird?

Velvet Acid Christ bleiben sich irgendwie treu als Projekt mit hohem Wiedererkennungswert bei gleichzeitiger steter Wandlungsfähigkeit. Sie sind in der düsterelektronischen Nische ein gesunder Gegenakzent zu ständer Reinszenierung immergleicher Klangwelten. Sie bleiben aber auch weiterhin nicht der Geheimtipp, den man vorbehaltlos an all jene weitergibt, die sich mehr mit diesem Genre befassen wollen. Denn selbst nach Jahren braucht es Zeit und Geduld bei Erstkontakt mit neuen Material und weiterhin stellt sich bei jedem Album von Neuem die Frage, ob es dieses Mal zünden wird. 2019 zündete es zumindest bei mir. Klasse Scheibe.