Die Sinnhaftigkeit sozialer Netzwerke wird insbesondere in jenen Fällen aufs Heftigste diskutiert, wenn die Bewohner der sozialen Räume nicht im realen Leben miteinander interagieren, sondern sich ihr kommunikativer Austausch auf fiktive Welten wie Facebook, Twitter und Co. beschränkt. Doch selbst der Online-only Status verbietet es nicht, produktiv tätig zu sein und neben netter Plauderei über die gemeinsam favorisierte Musikrichtung auch zielorientiert an der Promotion unbekannterer Bands zu arbeiten. So geschehen im Falle der Facebook-Gruppe „We love Synthpop“. Deren Gründer Javi Urbania vollbrachte jüngst die organisatorische Herkulesaufgabe, aus dem schier unerschöpflichen Pool hoffnungsvoller Synthoop-Talente, die sich in besagter Facebook-Nische zum regelmäßigen Gedankenaustausch treffen, eine Doppel CD zusammenzustellen und über das junge russische Label „Scent-Air Records“ der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auch digital wurde mit Foundry Records ein Vertriebspartner gefunden, so dass auch alle Spätentschlossenen, die keine der auf 500 Einheiten limitierten CD erwerben können, auf eine mehr als zweistündige Entdeckungsreise durch den weiten Synthpopcosmos gehen können. Los geht es gleich mit einem echten Hit. Der mir noch unbekannte Musiker Bradley Bohringer steuerte mit „Reaction“ einen clever gewählten Opener bei, bei dem der Spagat zwischen rockig-dramatisch-emotionalen Gesangsparts und einem klassisch belassenen Backing Track bestens gelingt. „Cold Connection“, zuletzt auf dem Electropop.7 Sampler positiv in Erscheinung getreten, machen mit dem unterkühlt vorgetragenen „Arrival“ Hoffnung auf die Ankunft des Debütalbums. Weitere Highlights der ohne krasse Aussetzer durchhörbaren ersten CD sind zum Einen der People Theatre Remix von „Withered Life“, dem besten Song der spanischen Band Silencio Personal, zum Anderen „Imagination“, ein neues Lebenszeichen der brasilianischen (!!!) Synthpopper „Dawnfine“. Generell muss man einfach lobend festhalten, dass nahezu alle Protagonisten äußerst nette bis fesselnde Melodien anbieten und man lediglich in puncto Produktion und Vocals Abstriche machen muss. Hier zeigt sich eben doch, mit welch bescheidenen finanziellen Ressourcen die beteiligten Bands hantieren – und sich trotz aller Hindernisse dem titelgebenden Slogan des Samplers verpflichtet fühlen. Auf der zweiten CD kann das eingangs gepriesene Niveau nicht in Gänze gehalten werden. Allerdings geht es deutlich experimenteller zu. Nadia Sohaei hat mit „Magic Light“ den sphärisch, minimalistischen Geheimtipp am Start, die dänischen „Vaylon“ das bedeutungsschwangere „Walk the earth“ und aus Österreich gibt es von „Xanthippe“ das reduzierte, von interessanten Synth-Drums dominierte „It Would be better“. Schön, dass sich auf der Compilation exklusives, bislang unveröffentlichtes Material befindet, wie beispielsweise der Mr. Bouvain Remix von „You Create It“, dem zweiten Appetizer zum kommenden Album der P24 / Never.Endless Kollaboration „Vainerz“. „Der Hase“, die aktuelle Single von „Sharon Next“ ist der lyrisch sicher skurilste Beitrag: „An einem Sonnenregentag...sah ich den Hasen...der tot auf der Autobahn lag...und das alles an einem Sonntag....“ – tragisch, seltsam, schön, im Sebastian Komor-Remix jedoch nicht ganz so melodiös wie auf dem Album „Farewell“, welches auch zwei Jahre nach Veröffentlichung noch uneingeschränkt empfehlenswert ist. Apropos empfehlenswert: Alle Liebhaber des weltweit besten Musikgenres bekommen mit dieser Doppel-CD mächtiges Futter für das neugierige Ohr und werden gewiss so manches musikalische Kleinod für sich entdecken. 12 Euro für die CD bei Poponaut (bzw. 10 Euro im Download) sind zudem eine lohnenswerte Investition in die Förderung der kommenden neuen Synthpop-Welle. Also, zugreifen!