Compilations verfolgen meistens zwei Ziele: Sie sollen einerseits aufgeschlossenen Konsumenten für verhältnismäßig wenig Geld einen Überblick über neue oder unbekannte Bands eines Genres verschaffen, andererseits sind sie für Labels eine Möglichkeit, ihre Signings einem breiteren Publikum vorzustellen. Beides jedenfalls trifft auf „Stählerne Lichter“, den auf 300 Stück limitierten Sampler des jungen Labels Licht und Stahl zu, der nun auf meinem Seziertisch gelandet ist. Auch für mich eine gute Gelegenheit, in die von mir erst kürzlich entdeckten Abgründe der (post-)industriellen Musiklandschaft vorzustoßen... ... die sich zunächst jedoch noch verhalten geben.

Dieter Müh nämlich eröffnet den Reigen mit einem schleppenden, percussionlosen Ambient-Track, bevor bei Flutwacht's „Stahlfieber“ die ersten metallischen Schläge ertönen, denen der Hörer von da ab in verschiedenen Varianten immer wieder begegnen wird. Trotzdem bewegt man sich sowohl hier als auch beim folgenden „Blutleuchte“, wo Labelchef Mario Löhr mit seinem Projekt N.Strahl.N den blechernen Beats u.a. Tribaltrommeln sowie einen dumpfen Alarmton hinzufügt, nach wie vor eher im Bereich des Ambient. Erst Galerie Schallschutz machen mit ihren beängstigen Sprachsamples und den nervenaufreibenden Sounds in „Electro Convulsive Therapy“ klar, daß wir uns hier auf einen Trip begeben haben, welcher langsam aber sicher in Richtung Industrial führt. So steigert sich „Shunning The Light“ zu einem kratzigen Lärmgewitter, beinahe nahtlos weitergeführt vom trommelfellzerfressenden „Soviet Time/Putin Time“, kurz unterbrochen von Schlägen und gesprochenden Worten in „Legal Slavery“ und sich danach mit dem power-elektronischen „Torsion Mecanica“ umso gnadenloser ins Gehirn bohrend. Wir befinden uns jetzt mitten in der experimentellen Kraftkammer (welch passender Bandname an dieser Stelle). Maschinen dröhnen, zerschneiden Metalle, Gläser zersplittern zu stampfendem Rhythmus, es sägt, scheppert und wummert in „Autoclave“, „eS“ und „Licht:Maschine“, wenngleich bei letzterem etwas gezähmter, verhallend sozusagen. Fieberflug leiten mit dem anschließenden „Schleppend“ erneut einen gemäßigten Teil ein, in dem dunkle, elektronische Flächen auf helles Rasseln treffen, abgelöst von brummendem Hörnerschall und organischem Schlagzeug beim zum Martial-Folk tendierenden „Lichtbote“ des zweiten Löhr-Projekts Erdlicht. Dann, plötzlich, erklingen Akustikgitarren, ein Glockenspiel und echter Gesang. Mit „Im Fall“ steuern Sturmkind den einzigen, etwas unbeholfen wirkenden Neofolk-Titel bei, der angesichts des vorherigen Infernos nicht so recht ins Bild passen will.

Aber zum Schluß übernimmt der Boss persönlich noch einmal die Regler und läßt die Scheibe mit – ja, abermals – Metall auf Metall-Geräuschen enden. Was bei „Stählerne Lichter“ äußerst positiv auffällt, ist zum einen, daß es sich hier ausschließlich um exklusive Beiträge der beteiligten Künstler handelt, zum anderen folgt die Anordnung der Songs einem fast durchgehenden Spannungsbogen. Gleich einem Konzeptalbum steigert sich die Intensität vom Ambient zum Industrial bzw. Noise, um gegen Ende allmählich wieder herunterzufahren. Abwechslung und eine relativ große Bandbreite sind somit auf jeden Fall garantiert, obwohl für viele sicherlich nicht alle Tracks interessant sind. Doch das ist, wie bei nahezu jedem Sampler, eine Frage der persönlichen Vorlieben.