Sampler aus dem Hause „Out of Line“ sorgen in der Regel für mächtig Gesprächsstoff, da kaum jemand dem angesagten Label mit vorurteilsfreier Objektivität begegnen kann – zu groß ist entweder der Neid auf chartrelevante Erfolge bis hinein in den Mainstreammusikmarkt oder der Frust ob jener monton-gleichförmigen Musik, mit der zusammengeschusterte „Projekte“ kurzfristige Meriten erwerben. In diesem Spannungsfeld bewegt sich jede Beurteilung einer neuen OOL-Compilation, weshalb jeder Leser und Hörer seine persönlichen Highlights zu einem gewissen Grade eigenständig eruieren möge. Das Hauptaugenmerk des Rezensenten lag auf CD1 des randvoll gefüllten Doppelalbums, da hier die melodischeren Beiträge, changierend zwischen Future Pop, Gothic-Electro und EBM, vertreten sind. Solitary Experiments überraschen mit dem brandneuen Song „Stars“, denn so stark nach VNV Nation klang bislang kaum eine andere Band des breiten Electrosektors. Blutengel covern sich im Anschluss daran selbst, denn „A Place Like Home“ weist alle Zutaten einer handwerklich gut gemachten, aber kantenfreien Pohl-Produktion aus. Stakkatogesang in den Strophen, im Refrain dann mehrspurig unterlegt, ein straffer Beat und dezentes Gezirpe im Hintergrund. Geht in Ordnung, tut niemandem weh. Interessanter ist dagegen schon der Beitrag von „Chrom“, Newcomer im Dance-EBM-Pop Genre. „Walked The Line“ ist, angereichert um überraschende Elektrogitarrenakkorde, eine konsequente Weiterentwicklung des glasklaren Sounds, welchen das Duo auf seinem noch recht aktuellen Album „Synthetic Movement“-Sounds zelebrierte. Nach knapp 6-jähriger Veröffentlichungspause tauchen auch Melotron auf diesem Sampler auf, was insofern verwundert, als dass man die Neubrandenburger doch beim SPV-Label unter Vertrag wähnte. „Dein Meister 2013“, die clubbige Neubearbeitung ihrer 1998- Debütsingle bei Zoth Ommog, gibt Ausblick auf das in Bälde erscheinende Album „Werkschau“. Vor einigen Tagen wurde zudem die Comeback-EP „Stuck in the Mirror“ annonciert – wenig verwunderlich wird diese bei Out of Line erscheinen. Honourable mentions gehen in Richtung Kirlian Camera, deren Song nicht ganz so poppig wie ihr jüngstes OOL-Debüt daherkommt, an „Dear Strange“, die fast schon massenkompatiblen Radiopop anbieten und den verantwortlichen Compiler, der vier klassische EBM-Stampfer ans Ende der ersten Sampler-Hälfte positionierte. „Jäger 90“ sind dabei in diesem Quartett mit „Zeig’s mir“ für den Tiefpunkt verantwortlich , während „Pankow“ mit „Mortality“ beweisen, dass sie irgendwie so überhaupt nicht sterblich sind. Wer anschließend noch den Mut hat, die zweite CD ins Laufwerk zu schmeißen, wird mit knüppelharten Electrobrettern „belohnt“, deren begleitende „Gesänge“ man sich besser fortwünschen sollte. Doch das Sams kommt eben nur Samstags, so dass „Ost+Front“ ohne Verwünschungen ihren abgrundtief bösen Klischee-Rrrrrrock in übelst harrrrter Ausprrrrrägung darrrrrbieten dürfen. „Silikon“ lautet derrrrr Titel, weist seltsamerweise kein „rrr“ auf – dafür aber Rrrrrrummelsnuff, der dieses Genrrre auf ironische Arrrt und Weise aber weitaus gekonnter bespielt. Wahrscheinlich wird es kein Hörer schaffen, beide CDs am Stück durchzuhören, da die elektronischen Auswüchse doch teilweise bizarre Formen annehmen. Ich bin immerhin bis zu Track 15 von CD2 gekommen, aber „Miss Construction“ mit „I’m a bitch“ war dann doch eine Misskonstruktion zu viel für mich. Wer einen vielschichtigen Eindruck vom breiten Bandroster bei Out Of Line gewinnen möchte, darf den preisgünstigen Sampler mit vielen exklusiven Stücken gerne erwerben. Hörer, die nur CDs in ihr Regal stellen, die zu 100% ihren persönlichen Geschmack treffen, sollten dagegen besser zweimal hinhören...und dann lieber nicht zu genau: „I’m a bitch, I’m a slut, I’m a motherfucking whore....“