Wenn ein Club in heutigen Tagen sein 10jähriges Bestehen erleben kann, dann ist das schon ein Grund zum feiern. Inzwischen eine Dekade alt oder auch jung ist die Kulturruine (im folgenden KuRu genannt) in Karlsruhe Ende Juli geworden – seit jeher ein starker Anziehungspunkt für die schwarze Szene, auch weit über die Grenzen Baden Württembergs hinaus. Ihre große Bekannt- und Beliebtheit verdankt der düstere und liebevoll gestaltete, heimelige Club vor allem seinen prominenten „Mächelern“: Mozart, Frontmann der Gothic Erotic-Legende „Umbra et Imago“ und Gründer des Spirit e.V. (der sich auf die Fahnen geschrieben hat, aktiv und energisch die Gothic Kultur zu fördern) ist in der KuRu der Herr im Haus und prägt damit nicht nur dessen Gesicht, sondern auch das Programm. So umtriebig und vielseitig wie der humorvolle Schwabe und sein Team, dementsprechend abwechslungsreich ist auch das Gebotene. Egal ob Gothic (Rock)-, Romantic-, Wave-, Electro-, Industrial-, Mittelalter- oder Metalfreak – in regelmäßigen Abständen kommt hier wirklich jeder Nachtwandler von Donnerstag bis Samstag in den mystischen Gewölben auf seine Kosten. Einmal im Monat lädt der Spirit e.V. außerdem zum aufwändig inszenierten, dekadenten „Painball“-Fetish/SM-Event – ein Programm also, bei dem hierzulande kaum ein Club mithalten kann. Vielfältig ist konsequenterweise auch die Jubiläums-Compilation ausgefallen, mit der nun „die ersten 10 Jahre“ ausgiebig gefeiert werden. Auf 2 CDs versammelt sich hier natürlich alles von Rang und Namen. Denn nicht nur der Fan-Kreis um die Exzentriker Mozart und Co. ist beträchtlich, sondern auch deren musikalisch und subkulturell tätige Freundeskreis. In der stilistischen Bandbreite schöpft man also aus dem vollen: Neben den zu erwarteten „Pflichtgrößen“ wie Umbra et Imago, Dracul, ASP, Unheilig und Crematory geben sich Electro-Acts wie Mind.In.A.Box, Flesh Field, Dismantled, Wumpscut, The Retrosic, VNV Nation und die Spaßkanonen Fusspils 11 die Ehre und feiern mit. Auf die üblichen Mittelalter-Verdächtigen wie Saltatio Mortis, Cultus Ferox und die bedenklichen Haudegen Janus wurde (leider) nicht verzichtet, dafür fand aber auch die traumhafte „Egil Saga“ der Münchner Ausnahme-Formation Faun einen Platz auf der ersten CD. Ein buntes bzw. schwarzes Gemengelage an ruhigen, midtempo- und fast beat-Songs prägt die beiden CDs, ein roter/schwarzer Faden, der wegweisend durch die gefeierten ersten 10 Jahre führt, ist aber leider nirgends zu entdecken. Auf alte Klassiker, zu denen Waver, Gothics und Electros schon vor Jahren die Tanzbeine schwangen, wurde zur Gänze verzichtet, was schade ist. Vielleicht hätte es ja so manches „Jungvolk“, das heute die KuRu regelmäßig bevölkert (wenngleich der „gefühlte“, aber auch „gesehene“ Altersdurchschnitt doch einiges über Mitte 20 liegt, ein angenehmes Gefühl in der Tat) interessiert, was in ihren Kindertagen so Feines vom Plattenteller kam. Und die alten „Damaligen“ oder „immer noch Stammgäste“ könnten in nostalgischen Erinnerungen schwelgen. Am ehesten gelingt dies vielleicht noch Sara Noxx mit ihrem fantastischen „Vampire“-Song oder Psyche mit „15 Minutes“. Musikalische Hoffnungsträger bzw. Qualitätsgaranten wie The Birthday Massacre, Re:\Legion, Polarlicht 4.1, Azrael 69, Catastrophe Ballet und Pink Turns Blue trösten ebenfalls ein wenig über dieses Manko hinweg. Schließlich wandert der Kelch auch noch zur Metal Liga, die mit relativ belanglosen Tracks der Schweden-Heroen Hypocrisy sowie der vielgelobten deutschen Finsterlinge Agathodaimon recht dürftig bedient wird. Recht rockig geben da noch eher die Kult-Mystiker Garden of Delight, deren Fan-Gemeinde aber sicher eine andere ist als jene der Die Hard und Black Metaller. Da bekanntermaßen zahlreiche Schwarze musikalische „Grenzgänger“ sind, haben sich die beiden Metal-Einsiedler-Tracks ihren Platz am Ende der zweiten CD dennoch verdient. Echte Highlights oder, wie bereits erwähnt, verschüttete Song-Perlen aus zehn Jahren Club- und Musikgeschichte sucht man also vergeblich, vielmehr repräsentiert der Jubiläums-Sampler das Gesicht, die Philosophie und Atmosphäre der HEUTIGEN KuRu. Schön aufgemacht ist wie zu erwarten das Booklet. Nicht sonderlich umfangreich, aber mit Fotografien voller knisternder Erotik bzw. Moment-Aufnahmen aus dem KuRu- und Spirit-Treiben. Hier und da ist ein kluges Nietzsche-Zitat eingestreut, das wiederum einiges über die verantwortlichen Macher und ihre Einstellung verrät – und immer mit einer Prise Humor. Im weiten Dickicht der vielen Sampler wird diese Compilation es zwar schwer haben, aufzufallen und sich abzuheben, andere Discotheken etwa haben diese Nische schon recht umfangreich und erfolgreich besetzt, die Zusammenstellung ist aber durchaus gelungen und vor allem in gewisser Weise auch Pflicht für eine etablierte Location mit exzellentem Ruf, wie es die KuRu zweifelsohne eine ist. Entgegen aller erster Befürchtungen hebt sich die Doppel-CD durchaus von den z.T. bodenlosen Klischee- und Mainstream-Zusammenstellungen ab („Entdecke deine dunkle Seite!“), soweit dies auf einer Doppel-CD möglich ist, bietet einen erfolgreichen Querschnitt durch das gesamte Programm der Kulturruine und macht neugierig. Wer den Sampler also beim Durchstöbern in die Finger bekommt und gerne mal andere Club-Atmo schnuppern möchte, dem sei das Hineinhören empfohlen. Die Lust, die Kulturruine schnellstmöglich einmal selbst kennen zu lernen, kommt dann ganz von alleine.