Hell yeah! Bereits die neunte Compilation aus dem Hause Gigolo International und – man glaubt es kaum – die erste mit der ich mich bewusst durch einen Review befasse! 160 min und 28 Tracks lang präsentiert unser deutscher Vorzeige-DJ und Trendmacher was ihn musikalisch so in den letzten Monaten bewegt hat. Und das war anscheinend eine ganze Menge! Die große Vielfalt würde das in der ‚Merci’-Werbung heißen, denn festlegen auf eine Sorte elektronischer Musik lässt sich DJ Hell ganz bestimmt nicht. Zwischen den üblichen Electro-Verdächtigen tummeln sich Dance-Tracks, Remakes aus den letzten drei Jahrzehnten, chilliges Deep-House, Kooperationen an die man so nie gedacht hätte und sogar ein reinrassiger Acid-Track. Für den aufgeschlossenen Elektronik-Liebhaber des neuen Jahrtausends sicherlich ein Werk, in das es sich lohnt hinein zu hören. OK, viele der Tracks sind schon seit ein paar Monaten aus den Clubs bekannt aber auf CD gibt es sage und schreibe ¾ der Beiträge zum ersten Mal, knapp die Hälfte der Tracks war sogar noch gar nicht vorher verfügbar. Hier die Highlights: Halten wir uns an die Hierarchie und fangen mit dem Chef an: der eröffnet den Reigen mit einem Remix der Zusammenarbeit von Felix the Housecat und P. Diddy. What the f***, das geht ja gar nicht, wird jetzt so mancher denken. Ganz im Gegenteil. Ruhige Passagen, die ein wenig an die frühen Massive Attack erinnern wechseln sich mit dunklem, kraftvollem Elektro ab. Wow! Hut ab… Ebenso genial ist der Elektro-Remix von Grace Jones ‚Libertango’ der bei Hell nach dem Refrain ‚I’ve seen that face bevor’ betitelt wurde. Auch exklusiv aber nicht ganz so stark stellt sich der Remix von Fischerspooners ‚I need a war’ dar, der die digitale Funkyness des Originals zu Gunsten/Lasten düsterer, basslastiger Synth-Lines entfernt. Da weiß der M.A.N.D.Y-Remix von ‚Just let go’, der bisher nur als Promo kursierte, mehr zu überzeugen. Anthony Rother lässt ‚1982’ von Miss Kitten and the Hacker im 2005er Gewandt mit – wer hätte das für möglich gehalten ;-) – Kraftwerk-Anleihen neu erstrahlen. Sehr hypnotisch und mellow steuert Terence Fixmer seinen Track ‚Inside Out’ bei. Saturn Vs ‚Acidbox’ bietet genau das, was der Titel verspricht. Schließlich beenden DAF mit ‚Der Räuber und der Prinz’, der vielleicht ersten deutschen homo-erotischen Ballade in der Original-Version den ersten Streich und, wie Herr Vovereit sagen würde, das ist auch gut so! Aber was haben wir gelernt? Genau: …der zweite folgt zugleich. XLOVER tun sich mit Motor zusammen um ihren Song ‚Suckbox’ in eine treibende, synthetische MG-Salve zu verwandelt. Den Track würde ich doch dann gerne mal im Club hören, genauso wie Kiko und Ginos ‚Good Sluts Factory’ ein dance-orientierter Electro-Track der Gesang im Stil von Herrn Väth enthält, aus Zeiten in denen der noch unter dem Namen ‚Off’ formierte. Eine deutliche Verbeugung vor Kraftwerk ohne die Sterilität der vier Düsseldorfer Herren zu übernehmen macht Martin Matiske mit ‚Japanese Science’. Trotz deutlicher Referenzen ist dieser Track sehr viel eigenständiger als beispielsweise das Komputer-Album aus den späten Neunzigern. In die gleiche Richtung doch eher dem Electro-Clash verbunden weiss auch ‚Teen Years’ von Digitaria eine gute Figur zu machen. Schließlich gibt es mit Replicas ‚Transmission’ einen dritten Beitrag aus der Kraftwerk-Fan-Fraktion. Schöne Samples und ein entspannter Beat lassen jedoch auch hier eine gelungene eigene Note erkennen. John Tejada legt bei Christopher Just Hand an und transformiert den ‚Disco Dancer’ in einen minimal groovenden Housetrack. Da hatte der Fatboy Slim Remix irgendwie mehr Dynamik… Auch Hell steuert noch einen eigenen Track aus der House-Ecke bei, der mit Orgel-Sounds recht gemäßigt daherkommt, jedoch durch seine Lässigkeit besticht. Mit Gigolo 9 ist es gelungen, eine Compilation weit vom Mainstream zusammenzustellen, die trotzdem sehr gefällig wirkt und dazu beiträgt, dass Genregrenzen aufgeweicht werden. Und das ist die Kunst, die Hell auszeichnet: die bunte Mischung, die es schafft, dass die beiden vollgepackten CDs nicht langweilig werden, wenn auch hier und da Tracks dazwischengerutscht sind, die nicht ganz so stark sind. Aber das ist natürlich, wie immer, Geschmackssache. Auf jeden Fall gibt’s hier für’s kleine Geld einen Sack voll Musik, den man sich sonst auf massig Vinyl zusammensuchen müsste.