Ein reichliches Menü ist es, das dem geneigten Schwarzkittel mit der Compilation „Gothic Visions“ aufgetischt wurde und ein preiswertes dazu, denn für knapp 14,-- Euro freut sich das schwarze Herz über ein CD/DVD-Package, das in diesem Umfang wohl selten auf dem Markt zu finden ist. Zubereitet von den Szeneblättern „Crawling Tunes“ und dem „Gothic-Magazin“ bietet der Sampler nicht weniger als 295 Minuten Audio- und 231 Minuten Video-Material (das sind zusammen fast 9 Std.!) - und das will erst einmal verdaut werden... Was beim Lesen der langen Tracklist zuerst auffällt, ist, daß neben einigen geläufigeren Namen wie The Beauty of Gemina, Whispers In The Shadow, In My Rosary oder Dead Guitars eine ganze Reihe unbekannter Bands aufgelistet sind. Die „ganz Großen“ des Genres, mit Ausnahme von Wayne Hussey, fehlen, und, weil wir gerade bei der Schublade sind, der Schwerpunkt liegt eindeutig auf dem, was man ganz klassisch als „Gothic“ bezeichnet. Langsame Rhythmen, tiefe Männer- oder hohe Frauenstimmen, schwere, gitarrenlastige Sounds, die mal in Richtung Gothrock oder sogar Doom, mal zum Darkwave tendieren. Ausflüge in den Batcave-, Elektro- oder Mittelalter-Bereich sind nur vereinzelt zu finden, beleben das Ganze aber durchaus. Hier liegt nämlich einer der Knackpunkte der Scheiben, aufgrund der Fülle ähnlich gearteter Songs im Audio-Teil wird es mit der Zeit anstrengend, seine persönlichen Favoriten quasi auszufiltern. Manche Perle droht da unterzugehen, wenngleich, auch das muß gesagt werden, einige Tiefpunkte nicht ganz so ins Gewicht fallen. Anders sieht es aus, wenn zum Ton das Bild kommt und die qualitativen Unterschiede im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge stechen. Dabei muß natürlich berücksichtigt werden, daß nicht jede Band die finanziellen Mittel für einen aufwendig produzierten Videoclip hat, dennoch würde man sich stellenweise ein paar andere Kulissen als nächtliche Friedhöfe, alte Burgruinen oder nebelverhangene Landschaften, sprich, etwas weniger Klischee wünschen. Wie's geht, machen z.B. Saints of Eden mit ihrem industriellen Horrorszenario vor oder Vendemmian, wo ganz lässig im Kuhstall gerockt wird. Die leicht geschürzten Damen bei Waving Not Drowning's „Twist And Turns“ wirken hingegen eher peinlich als anregend. Das selbe in der Live-Sektion: Wayne Hussey und die Dead Guitars liefern hier mit „Butterfly On Wheel“ und „Isolation“ zwei Lehrstücke ab, wie ein perfekter Konzertmitschnitt auszusehen hat. Ebenfalls macht die Aufzeichnung von Specimen „Alive At The Batcave“ Laune, wohingegen ich mich frage, ob es sinnvoll war, genau zwischen diese Highlights mit Dr. Arthur Krause's „Breaking In Two“ ein Stück zu platzieren, bei dem sowohl von Seiten der Band als auch des Publikums nichts als Unlust zu spüren ist. Langeweile macht sich auf der DVD aber erst so richtig bei den sog. „Visuals“ breit. Zusammengeschnittene, musikunterlegte Landschafts-, Sonnenuntergangs- oder Städteaufnahmen erinnern eher an unsägliche „Kaminfeuer“-DVD's als düstere Atmosphäre zu vermitteln und auf die beiden Kurzfilme am Schluß hätte man ebenso gut verzichten können. Während „Falkenstein/Time For Horror“ mit seiner hanebüchenen Vampirgeschichte und den hölzern agierenden Darstellern heutzutage nicht mal mehr Pfadfinder im Zeltlager unter die Decke kriechen läßt, fehlt mir für „Die Mehrheit bin ich/Kein Traum“ wohl schlichtweg das nötige Kunstverständnis. Wie schon gesagt, die Riesenauswahl an Musik bzw. Videos muß richtiggehend erarbeitet werden. Belohnt wird man dafür jedoch mit einer ganzen Anzahl herausragender Tracks, mit einigen Neuentdeckungen abseits ausgetrampelter Pfade sowie ein paar schönen Videos bzw. Live-Mitschnitten. Trotzdem hätte es dem Paket gutgetan, wenn die Macher eine etwas strengere Auswahl getroffen hätten, anstatt die geballte Ladung auf den Musikfreund loszulassen. So bleibt mir nur der Tip, die Lieblingssongs auf einer ganz persönlichen Compilation selbst zusammenzustellen. Wie die letztendlich aussieht, muß jeder für sich entscheiden, deshalb verzichte ich in diesem Falle auf eine Punktewertung.