Electrospective nennt sich eine Aktion der großen EMI, die aufmerksam darauf machen möchte, welchen Einfluss der Plattengigant mit seinen Sublabels auf die elektronische Musik der letzten fünfzig Jahre hatte. Multimedial kann man dies auf http://www.electrospective.com erleben, einer Site, die neben Kurzinfos zu den bahnbrechenden Artists auch Videos mit Maryn Ware, Daniel Miller, Matthew Herbert und Any McCluskey zum Thema bereitstellt. Begleitend dazu erscheint dieser Tage eine Doppel-CD als Werkschau und in einem Monat eine weitere mit Remixes und 12“-Versions. Besonderes Bonbon: die CDs sind für weniger als 10 Euro zu haben. Nun könnte man denken, dass sich hinter Electrospective eine langweilige Compilation mit Mainstream-Knallern verbirgt und man sich das Ganze sparen kann. Weit gefehlt! Zwar sind natürlich auch viele bekannte Bands dabei, was die Zusammenstellung jedoch besonders macht, ist das bediente Spektrum und der Mut sich auch auf Alternative-Pfaden auszulassen. Gerade auf der ersten CD hört man dies sehr deutlich. Während gut die Hälfte der Tracks den elektronischen New Wave Helden huldigt bekommt man obendrauf noch Electro-Klassiker von The Normal, Cabaret Voltaire und Nitzer Ebb dazu, nachdem man die etwas krautigere Phase mit Eno, Can und Tangerine Dream hinter sich gelassen hat. Besonders schön auch die originale Interpretation des Dr Who Themes durch den BBC Radiophonic Workshops, sowie die Non-Album Debut Single von Roxy Music: ‚Virginia Plain’. Und einen weiteren Pluspunkt gibt es dafür zu vermelden, dass von den Simple Minds das geniale ‚I Travel’ enthalten ist und nicht etwa einer der abgedroschenen Gassenhauer der späteren Alben. Dies gilt übrigens auch für Heaven 17, die mit der 12“ Version von ‚I’m Your Money’ glänzen und für Ultravox, die mit Sleepwalk ebenfalls dynamisch elektronisch rüberkommen. Dass die elektronischen Neunziger vielseitiger aber nicht schlechter waren, bewiesen unlängst Blank and Jones mit ihrer so90s Compilation und auch Electrospective weiß dazu einige Dinge zu sagen: Minimale Detroid Sounds mit Inner City und groovende Lazyness mit Soul II Soul machen genauso viel Spass wie Moby’s ‚Go’ oder ‚Around The World’ der französischen Brachial-Clubber Daft Punk. Sogar The Future Sound Of London wird gefeatured. Richtig so! Schließlich war keine andere Band im Ambient-Dance Umfeld so prägend wie die Londoner Combo, sieht man mal von The Orb ab. Den Drum’n’Bass der zweiten Hälfte der Neunziger darf Adam F vertreten und Massive Attack zeigen sich mit ‚Inertia Creeps’ von ihrer düsteren Seite. Dass auch um die Jahrtausendwende die elektronische Musik ihre Berechtigung hatte beweisen Air, die Gorillaz, Radiohead und Goldfrapp. Die letzten Jahre schließlich weisen eine Entwicklung auf, die sich mir nicht ganz erschließt, denn Acts wie David Guetta und Eric Prydz begeistern zwar die Massen, kommen aber nur schwer über das Genre billiger Club-Mucke hinaus. Geschmackssache halt! Auf jeden Fall zeigt die EMI einmal mehr ihre Vormachtsstellung im Bereich der elektronischen Musik und das auf eine sympathische Art und Weise. Ach ja, das Vorwort im Booklet hat ebenfalls Martyn Ware von Heaven 17 geschrieben. Mal sehen wie die Remix Compilation im nächsten Monat gefällt.