Ein Presseinfo ist immer genau dann gut, wenn es die drängendsten Fragen gleich zu Beginn beantwortet und nicht lange um den heißen Brei herum laviert. „Hey, was heißt eigentlich Vainerz?“, dürfte die Standardfrage etlicher Musikjournalisten an das aus Mario Bouvain und Rico F. Piller bestehende Neu-Duo gewesen sein. Nun lesen wir im Infoschreiben, dass Vainerz die „Sprache der Engel“ sei. Gut, akzeptiert, wenngleich die Vocals der Digitalsingle „I Try To Be“, mit der die erfahrenen Musiker die „musikalische Weltherrschaft an sich reißen“ wollen (ein weiteres Zitat aus der Marketingabteilung des Labels), nicht unbedingt engelsgleich aus den Boxen klirren. Dies macht jedoch gar nichts, denn der höchst erdige, kernige Gesang von Mario konnte bereits auf den hervorragenden und aus meiner Sicht sträflich unterschätzen Alben der Synthpopband „Never Endless“ gänzlich überzeugen, so dass sich die Überraschung ob der sehr ausdrucksstarken Stimme in Grenzen hielt. Musikalisch haben die beiden Protagonisten der neuen Synthpophoffnung „Vainerz“ erst vor knapp einem halben Jahr zusammen gefunden. Die hier vorliegende Digital-Single ist somit das erste Lebenszeichen des Projektes, das mir vor einigen Wochen auf dem Sampler des russischen Labels Synthematik bereits positiv auffiel. „I Try To Be“ ist im Single Edit ein grooviger Ohrwurm, der mit interessantem Rhythmus und den von P24 gewohnten Dancesounds im Refrain aufwartet. Auf diese Weise ergibt sich ein absolut hörenswertes Zusammenspiel aus sehr modernen Synthsounds und berühmt-berüchtigten Depeche Mode-Anleihen, die im Verlauf des Songs aber abnehmen und bei den weiteren Tracks der Single weitestgehend zugunsten kreativerer Interpretationen in den Hintergrund treten. „Mr. Bouvain“ trimmt das einprägsame Lied auf maximale Club-Kompatibilität mit leichten EBM-Anleihen, Rico zieht die Vocals durch den Vocoder und transferiert den Sound in jenes poppige Dance-Spektrum, das auf meinem Lieblings-P24-Album „Gedanklicher Freiraum“ bereits dominierte, während Parralox aus dem melancholischen Ausgangsmaterial eine fröhliche Mitklatschnummer machen. Sicher nicht jedermanns Sache, aber auf alle Fälle ein Remix, der die ausschließlich digital veröffentlichte Single um stilistische Vielfalt bereichert. Fans der beteiligten Bands werfen am 20.01. ohnehin den Rechner an, um bei iTunes und Co. einen lohnenswerten Einkauf zu tätigen, doch auch aufgeschlossene Freunde elektronischer Popmusik mit Danceappeal sollten mehr als nur ein Ohr riskieren. Denn hier haben sich die Talente zweier Musiker konzentriert, die jeweils ihre zentralen Stärken eingebracht und diese zu einem produktiven Schmelztiegel vereinigt haben. Da ist es dann auch zu verschmerzen, dass der Bonustrack „Love Run“ nicht ganz die Qualität des Titeltracks erreicht und es das Debütwerk offiziell nicht als physischen Tonträger zu kaufen gibt. Doch mit einem hoffentlich bald folgenden Album wird dieses Vakuum im CD-Regal sicherlich behoben. Das Warten lohnt sich!