Im Black Metal sind Pseudonyme ganz gebräuchlich. Schön hart sollen sie klingen, zum Teil entmenschlichen. Wenn ein kanadischer Solokünstler jedoch das japanische Schriftzeichen für Geist, 鬼, wählt um auf eine ätherische Aura hinzuweisen, dann wirkt das nun so gar nicht hart. Wenn es sein Projekt dann auch noch schafft, aufgrund zu geringer Härte nicht in den metal-archives Platz zu finden, dann kann der Interessierte sicher sein, dass Anhänger old-schooliger Trveness mit der Nase rümpfen werden bei der Nennung des Bandnamens in Verbindung mit Black und Metal, selbst wenn ein post davor steht. Willkommen also bei Unreqvited und mit 'Mosaiv II' nun dem emotionale Gegenstück zum positiven, beschwingten ersten Teil von 2018.

Zu allererst: Wenn man 鬼 eines nicht vorwerfen kann, dann ist es mangelnde Abwechslung zwischen den Alben. Irgendwo zwischen Black Metal und Rock, immer mit einem Post davor, aber nie absolute Einheitlichkeit. Und so empfehle ich, um mein Abschlussurteil vorwegzunehmen, dass all diejenigen, die sich angesprochen fühlen und bisher kein Album des Kanadiers ihr eigen nennen, beide Teile von 'Mosaic' in der Doppeledition zu erstehen – nicht nur finden sich die beiden Scheiben dann in einer wundervoll gestalteten Edition wieder, nein, sie gehören in ihrer Gegensätzlichkeit auch zusammen. Laut eigener Aussage war die Zeit nach dem Erscheinen des Zweitwerks 'Stars wept to the sea' und dem sich einstellenden Erfolges geprägt von sehr unterschiedlichen Emotionen, die zwischen Freude/Euphorie und Wut/Angst schwankten. Und so arbeitete er je nach Stimmung an einem der beiden Teile. 'Mosaic II' ist deutlich härter geraten, wobei wir noch weit entfernt von echter Härte sind. Ja, es gibt schwarzmetallische Gitarrenwände und Screams, diese sind aber nie klar abgemischt und in den Vordergrund gerückt, sondern immer Teil einer düster, alptraumhaften Stimmung, die von Sehnsucht und Zaudern bestimmt ist. Fehlende Texte und weite Passagen ganz ohne Vocals aber mit sich konsequent wiederholenden Riffs, ein hoher Anteil klassischer Instrumente und zum Teil Elektronik und Parts, die an klassischen Rock der 70er erinnert – das Klangbild auf vorliegendem Album von Unreqvited ist für mich ein Volltreffer. Wie ein Rausch, eine nicht enden wollende Irrfahrt voller Visionen und dem Gefühl des Nebensichstehens. Mir kommt das Album vor wie eine sanfte Version der 'Willenskraft' von Trist. Weniger greifbar wie die Genrekollegen von Alcest würde ich doch deren Fanschar unter anderem als Zielgruppe benennen. Man braucht Geduld, man braucht Zeit aber allein die ersten 4 Songs mit über einer halben Stunde Spielzeit sind ihr Geld mehr als Wert. Die folgenden drei "Transience" Teile sind wie ein eigenwilliges langes Outro, in den ersten beiden Teilen ganz ohne (im Mittelpunkt stehende) Gitarren oder Screams und im dritten Teil tatsächlich finster und verloren, mit sägenden Gitarren, einem hohen Pfeifton und einer niederschmetternden Stimmung. Ein seltsam beklommenes Ende, das den Hörer aufgewühlt zurücklässt.

Wenn 鬼 von seinem düstersten und waghalsigsten Album spricht, dann muss man die Diskographie von Unreqvited kennen, um diesen Kommentar erst nehmen zu können. Aber auch wenn ich eventuell nicht alle Ansichten zu seiner Musik mit dem Kanadier teilen kann, so attestiere ich ihm hier ein wundervoll geglücktes Album. Für mich als Vielhörer ist Folgendes auch ein Garant dafür, dass Unreqvited noch oft in meinem Player landen werden: Das Album kann man gut im Alltag hören, es kann auch mal im Hintergrund laufen und gleichzeitig entfaltet es seine wahre Magie beim konzentrierten Lauschen auf Kopfhörern.

So, die Lobhudelei endet in der Hoffnung, den ein oder anderen angefixt zu haben – wagt euch an die traumgleiche Musik von Unreqvited, lasst euch ein auf Sanftheit, die im ersten Moment vielleicht flach erscheint, aber ganz viel zu bieten hat und die vor allem auf Albumlänge nicht anbiedernd langweilt, sondern eine spannende Geschichte zu erzählen vermag. Es lohnt sich wirklich.

 

Unreqvited

Mosaic II: La déteste et la détresse

 

10.01.2020

prophecy productions

 

https://unreqvited.bandcamp.com/album/mosaic-ii-la-d-teste-et-la-d-tresse

 

01. Nightfall
02. Wasteland
03. Pale
04. Disorder
05. Transience I: The ambivalent
06. Transience II: The gentle void
07. Transience III: The static