Underoath haben das schwere Los, mit ihrem neuen Album "Define The Great Line" gegen einen überaus erfolgreichen Vorgänger anzutreten. Der so genannte Übeltäter "They're Only Chasing Safety" von 2004 verkaufte sich in den Staaten knapp eine halbe Million mal. Klar, dass danach der Wechsel zu einem Major anstand. Es ist aber auch klar, dass es schwer werden wird, auf diesem Erfolg aufzubauen bzw. ihn zu übertreffen, da ein derartiges Unterfangen immer einem Kampf gegen sich selbst gleich kommt. Aber die Jungs aus Tampa, Florida, zeigen sich zumindest äußerlich davon unbeeindruckt. "Define The Great Line" sei etwas besonderes und, natürlich, das bisher beste Album. Der Opener "In Regards To Myself" zeigt diese Aussage erst einmal nicht bestätigt, ja, überrascht eher durch bereits hundertmal wiedergekäuten Hardcore, wie er von so vielen Bands gespielt und gesungen wird und das bereits Jahre. Da fragt man sich, wo denn die viel zitierte Genialität steckt, die dem Sextett nachgesagt wird. Denn auch viele der folgenden Songs schrammen hart an der Grenze zur Profanität. Dennoch blitzt er durch, der Funken der Experimentierfreude, die Erleuchtung beim Erweitern des musikalischen Horizonts. In "Ever So Inviting" glaubt man auf einmal eine Orgel wie bei den Doors zu hören. Die Tempiwechsel und sich immer wieder abwechselnde Gesänge und Gesangsarten heben diesen Song deutlich aus der Masse heraus, ebenso wie das folgende "Salmarnir", das lediglich von Keyboard und spartanischen Rhythmen getragen wird. Underoath glänzen immer dort, wo sie die eingefahrene Hardcore/Emo-Schiene verlassen. Der beste und zugegebenermaßen geniale Song "Casting Such A Thin Shadow" lädt erst mit melodischer Melancholie zum Träumen ein, um dann später mit dem einsetzenden Gesang härter zu werden. Hier legt die Band mal die Karten auf den Tisch und spielt ihr Talent aus. Etwas ungläubig geplättet fragt man sich, ob noch einmal etwas vergleichbares auf "Define The Great Line" auftaucht. Die Antwort ist beinahe. "Moving For The Sake Of Motion" ist zwar wieder einer dieser typischen Brüller, zeigt aber trotzdem, dass es auch mit gehobenem Niveau geht und man nicht wie der Rest der Welt klingen muss. Der letzte Song "To Whom It May Concern" bricht noch einmal aus und zeigt sich anfangs etwas ruhiger, aber dafür um so experimentierfreudiger. Wenn Underoath in dieser Richtung weiter machen, könnten sie mal zu den ganz großen zählen, denn das Potential haben sie allemal. Nur auf "Define The Great Line" zeigen sie es zu wenig.