Das aztekische Ritualgetrommel von Tzolk'in geht in die dritte Runde. Diesmal hat sich das Duo aus Flint Glass und Empusae die aztekischen Götter vorgenommen. Der Titel "Tonatiuh" bezeichnet den Sonnengott der Azteken, den Herrscher des Himmels. Doch wer nun glaubt, es gehe um göttliche Weisheit oder gar Menschenliebe, der liegt komplett falsch. Tzolk'in beleuchten die unbarmherzige Seite dieser Götter und damit einhergehend die für sie massenweise inszenierten Opferrituale, bei denen tausende von Menschen jedes Jahr ihr Leben ließen. Doch Tzolk'in geht es nicht darum, ein blutiges Bild der ausgestorbenen südamerikanischen Ureinwohner zu zeichnen, sondern vielmehr die Stimmung zu dieser Zeit einzufangen, die von der Angst vor und der Verehrung für diese Götter, aber auch von blutigen und angsteinflößenden Ritualen geprägt war. Dafür verstärkt das Duo im Gegensatz zu den beiden Vorgängeralben den Percussion-Einsatz und reduziert die Ambient-Passagen. Es geht darum, eine einerseits bedrohliche Stimmung zu erzeugen und andererseits den rituellen Charakter zu betonen. Jeder Songtitel steht für einen bestimmten Gott und jedem dieser Götter mussten die Menschen dienen, sonst kam nach ihrer Vorstellung großes Unheil über sie. So wird der Hörer inmitten des Urwalds in einer düsteren Umgebung ausgesetzt: Die Grillen zirpen, die Vögel singen und es gibt allerhand Geräusche zu hören, bis das zeremonielle Trommeln einsetzt. Tzolk'in verbinden dafür Ritual, Electronic und IDM zu einem teilweise fast als partytauglich zu bezeichnenden Groove, wenn die elektronischen die rituellen Elemente überlagern. Doch es gibt auch Chöre zu hören, deren Gesänge von nichts Gutem erzählen. Während der erste und titelgebende Track "Tonatiuh" noch etwas verhalten klingt, so als ob Flint Glass und Empusae den Übergang vom Vorgänger "Haab'" möglichst sanft gestalten wollen, steigern sich die folgenden Tracks zum Teil in wahre Percussion-Orgien, die meist mehr nach Ritual und manchmal mehr nach Electro klingen. Doch stets hängt eine unheilvolle Stimmung wie ein Damoklesschwert über dem rituellen Treiben. Der Tod ist allgegenwärtig, die Opferparty hat begonnen. Den Azteken waren diese Zeremonien selbstverständlich heilig, für ihre Opfer waren sie dagegen qualvoll (ihnen wurde das Herz heraus geschnitten) und Tzolk'in verbinden genau diese beiden Aspekte miteinander, auch wenn sie gegensätzlicher nicht sein könnten. Dem Duo gelingt es nun schon zum dritten Mal, antike Riten mit der Moderne zu verbinden und das in einer Art und Weise, die verlockender und berauschender nicht sein könnte.