Vor zwei Jahren katapultierten sich Tyske Ludder mit ihrem Album "Sojus" und den Re-Releases der Backlist zurück ins Musikbusiness. Jetzt schicken sie eine neue EP an den Start, die sich zur richtigen Zeit mit einem brisanten Thema auseinandersetzt, nämlich der Scientology-Kirche. Seitdem immer mehr Hollywood-VIPs sich öffentlich als Mitglieder outen und eine anonyme Gruppe von Internet-Aktivisten der Organisation den Kampf angesagt hat und damit für großes Aufsehen sorgt, ist die Diskussion um die höchst umstrittene Ideologie und die fragwürdigen Praktiken und Geschäfte von Scientology wieder angeheizt worden. Dass Tyske Ludder bei weitem keine Sympathisanten von Scientology sind, macht der Track "Thetanen", der sich neben dem Original in drei weiteren Remixen auf der acht Titel umfassenden EP befindet, schnell deutlich. Als "Thetan" wird bei Scientology in Anlehnung an den griechischen Buchstaben Theta das unsterbliche Wesen eines Menschen bezeichnet und stellt ein zentrales Konzept in deren Lehre dar. Gewohnt aggressiv und direkt stellen Tyske Ludder klar, dass sie das System durchschaut haben und sich gegen die von Macht, Geld, Lüge und Fanatismus geleitete Lehre stellen. Ihr gewohnt eingängiger, harter EBM-Sound, das markige Organ von Sänger Albert-X und die deutschen Texte unterstützen diese unmissverständliche Botschaft eindringlich. Der Track "Kinkat" hingegen schlägt in eine völlig andere Kerbe, werden hier doch – ebenfalls in Deutsch gesungen – die recht derb formulierten Gedankengänge eines körperfixierten Mannes beim Anblick einer nicht alltäglichen Schönheit, einem Kinkat, wiedergegeben. Wer da nicht gerne hinschaut … Kein besonders origineller Song, der im ruppigen Wertstahl XXX Edit und in der mehr episch-rhythmisch geprägten Version von Feindflug aber noch etwas mehr hermacht als im Original und die Tanzfläche locker füllen sollte. Erneuter Themenwechsel. Nach dem Sprung von der weltgrößten Pseudo-Religion zu sexy substyle girls nehmen Tyske Ludder die paramilitärischen Kampfgruppen der Arbeiterklasse der DDR, deren letzte Einheiten erst 1990 demobilisiert worden waren, mit einem schnellen, direkt auf die Clubs zielenden Titel ins Visier – neben dem brachialen, fantastischen Thetanen-Remix von Nurzery [Rhymes] der beste Titel auf der EP. Auch E-Craft und Brain Leisure haben "Thetanen" ihren eigenen Stempel aufgedrückt. Während E-Craft mit ihrem bekannten Minimalismus zu Werke gingen, ist der Fragulate Edit der Franzosen etwas poppiger und melodischer ausgefallen. Wer nach dem achten Track nicht gleich auf den Anfang zurückskipt, wird sich einen Lacher nicht verkneifen können. Trotz aller Ernsthaftigkeit sind Tyske Ludder nach wie vor für einen Spaß zu haben. Eine Anspielung auf den ganzen banalen Blödsinn, mit dem das Pop- und Showgeschäft seit geraumer Zeit die Nerven der Bürger strapaziert? Vielleicht… Aber im Ernst: "Brother Louie" war früher WIRKLICH ein Hit! Die zweite "verborgene Überraschung" schlägt dann allerdings dem Faß den Boden aus! Sensationell! Anhören, nachdenken, lachen!