Etwas länger liegt auf meinem Schreibtisch schon die Veröffentlichung “Unification” von Twins in Fear, wobei ich mir dachte, dafür brauche ich mal etwas mehr Zeit, weil es titelmäßig bestimmt etwas sein könnte, was mir gefällt. Und ich wurde nicht enttäuscht von dem Werk von Maria und Lena, gebürtig in der Schweiz und in der Ukraine - und derzeit in Hamburg lebend. Mit “Unification” erwartete mich kleines Frauenherz Dramatik, Energie und Leidenschaft, wobei es nicht schadet, wenn “Frauchen” selbst ein bisschen schräg ist. Stellen wir euch das Werk also vor und beginnen mit dem Aufmacher “Abseits”. Siehst du dich als jemand, der daneben steht? Allein und doch für sich in seiner Welt ganz und gar nicht die Erlegene? Manchmal - aber auch nur manchmal, ist dir alles zu viel und doch trägst du das Feuer in dir, das dich immer wieder den Kopf heben lässt? “Abseits” steigt düster und dann sehr frech schreitend ein. Der psychedelische Sound steht für deine geschundene Seele, die sich verliert zwischen Selbstaufgabe und wirrem Wahnsinn. “Ich stehe abseits, niemand redet mit mir… Ich sterbe abseits, von allen ignoriert und meine Seele erfriert.” Wiederaufkeimen? Textlich keineswegs, aber der hohe, fast hüpfende Sound und die lauernden Drumbeats zeigen, mit der “Hexe” ist es noch längst nicht vorbei, wie tief der Schmerz auch gräbt. Klar und fast kindlich naiv wirkend, erhebt sich die Weiblichkeit und die Stimme reizt dich, man von links, mal von rechts. Die pulsierende Elektronik wächst mit den Stimmen der “Mädels” an. Das Echo- und Stimmspiel steigert sich mit ihr dramatisch. I like. Kennst du das, wenn du dich in einem Gefühl der Lethargie befindest, wo alles eigentlich egal ist, weil der “Grundschmerz” tiefer sitzt? Sie liebt ihn und sie ging mit ihm. Aber was war es für ihn? Dunkel wabernd setzt “Geld” ein. Die Nacht pfeift und süß und doch mit einem Hauch einer düsteren Vorahnung erzählt dir die Stimme von ihrem Erleben. Stetig gedämpft folgen die Beats, dann stampfend. “Ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe. Ich habe dir gesagt, komm mit zu mir… Da liegt Geld, damit alles seine Ordnung behält.. wird bezahlt…” Wirklich? Ein paar Geldscheine für ein gebrochenes Herz? Und doch ist dein Gefühl für ihn so stark. “Was immer du willst, was immer du willst… Mach aus mir, was immer du willst!” Beide Frauen wirken zusammen und erzeugen wieder meine geliebte Dramatik, mit Echos und Zwischenrufen, abgerundet durch die psychedelischen Beats. Hörst du ihre Hingebung? Wiederholungen und ein aufbrechender, fast melodischer Part fangen mich ein, ehe es geheimnisvoll gleitend wird, lauernde Beats, dieses Flüstern und da ist wieder die Nacht, die mahnend pfeift und dein persönliches wahnsinniges Glockenspiel folgen lässt. So lässt du dich doch nicht behandeln!? “Herz” schließt an. Du hörst sie mal hier, mal dort, auf zurückhaltenden Schlägen. Und dann plötzlich setzt das Piano ein und dich trifft ihre klare hohe Stimme. Dein Herz brennt - aus Liebe. Und deine Vernunft kann das alles nicht besiegen! Und wieder imponiert mir das Spielen mit den Stimmen, das Echo, die versetzte Überlagerung. Dramatik! Während sie dann noch eben verwaschen aus der Ferne zu dir dringt, erhebt sie sich prompt zuckersüß “lieb” auf dem Klavier und du weißt, Wahnsinn ist eine Gefahr für deine eigene Seele. Niemand sieht deine Tränen. Was ist fair? Du kannst dich nicht von diesen Gefühlen lösen. “Ich bin ein gefangenes Tier, denn mein Herz kann nicht denken.” Scheiß auf den Verstand, oder? Zart und hoch führt letztlich das Klavier, ehe das Schlagzeug blechern dazu kommt. “Töte mich! Ich werde dich mit Liebe ertränken.” Zwischenrufe steigern die Dramatik. Wirst du an dieser Liebe zugrundegehen? “Unicfication” folgt zunächst verhalten und dann prompt beatig groovend. Die Stimme, DJ-like, tut dies ebenfalls. Du weißt, da ist diese Verbindung zwischen euch. “... hear sound, nobody else can hear…” Eine andere Seele und doch deine. Denn du fühlst sie, du hörst sie, du schmeckst sie und bist immer bei ihr. Der Sound wächst schräg, wirr und teils melodisch an. Die Sirenen schrillen. “We are the same!” Tauchst du mit ein in dieses Wissen, in dieses Gefühl? Lass es zu! Nimm einen tiefen Atemzug! Niemand kann es zerstören. Der ekstatische Gesang fängt dich auf chilligen Beats. Diese Stimmen im Kopf, dein Herz, dein Verstand - es folgt “Allein”. Die Stimme schreitet, pausierend, treffend klar auf dapfenden Beats. “Bau eine Wand! Lass niemanden rein!” Was ich sehe, das sehe nur ich. Oder? Oder sehe ich einen Geist? “... vielleicht auch dich…” Ist da jemand? Jemand dort draußen? “Uns verbindet das Geheimnis.” Ein versetztes Echo, dann vereinigt und wieder nicht - das liebliche Stimmspiel. Der Synth schreitet hoch auf dem groovenden Sound, auf gedämpften Schlägen. “Wir genießen dieses Wunder, wenn man sich total verfällt.” Im nächsten Track beginnt die Stimme leicht belegt und mit Echo. Die Electrodrums brummen chillig. “Einsamkeit ist Gnade, weil ich nur mir selbst vertrau.” Gespenstisch leierhaft wirft es dich in einen Kreis stetiger Wiederholungen. Und dann, zuckersüß, treffen dich wieder zarte Klänge, glöckchengleich und diese liebliche Stimme: “Wenn du mich entdeckst, dann bin ich da für dich. Ich warte schon so lange, bitte finde mich. Geh ganz weit, bis ans Ende der Welt! Such das Paradies und sei mein großer Held!” Dann wird es wieder groovig und schreitend. “Komm in meine Dunkelheit! Lass alles zurück!” Und wieder sind es die stetigen Wiederholungen, die Treffsicherheit garantieren. “Geh hinweig durch deinen Kopf…” Und sie weiß gewiss, sie ist dort zuhause, wo die Sonne nicht scheint. “The Hunt” schließt mit bestimmend chilliger Elektronik an, auf der sich die Stimmen genauso erheben. “I have no choice.” Die flotte Beatsequenz ist die Grundlage für ein wirres Flüstern. Es artet aus. Es wird herausgeschrieen, was innen tobt. Soll er dich doch demütigen! Kurz wird es lauernd, doch dann reiten die Drums, die Stimmen verwaschen. “I want you so bad!” Psychedelisch, sündig. “Come on! Break me!” Die E-Gitarre groovt mit. Kindlich frech auf lauernden Klängen und schließlich wabernder Elektronik zeigen sich die “Mädels” in “Rätsel” und ich glaube, der Track könnte mein persönliches Highlight werden. Alles was geschieht, ist dir ein Rätsel? Du hörst den Herzschlag und dann spricht sie kläglich zu dir: “Warum sagst du das zu mir? Warum machst du das mit mir? Was verlangst du denn von mir?” Beide Sängerinnen erheben sich auf schräger Drumelektronik. “Du tust mir weh… Ich liebe dich!” Kurz wird es windig schräg und lauernd. Und dann gehts eindringlicher auf Russisch voran. Auch hier erzeugen die Wiederholungen Tragik. In “Träume explodieren” schreitet die Elektronik zügig auf lauerndem dunklen Grund. Chillige Schläge durchbrechen die Masse. “Ich spüre, wie du in meine Tiefe tauchst und an mich denkst. Da ist etwas in mir, was deine Sehnsucht auf mich lenkt.” Du weißt es doch! Du spürst diese friedvolle Gier nach allem Vorstellbaren. Chillig, flott und teils reitend geht es voran. Dir entgleist die Kontrolle über deine Gefühle? “Ein stummer Schrei, der sich nach dir verzerrt…” Und wenn die Träume explodieren, kennt die Sehnsucht keine Grenzen. Es wird knackig. Der Synth tanzt hoch und frech. “Vampir” schließt an. Ist er der, der an dir nagt? Zunächst gedämpft, lauernd, beatig schreitend - und dann hörst du IHN! Seinen russischen Wortlaut. Du verzerrst dich nach ihm. Oder? “Ich will dich küssen, doch du schmeckst nach Blut.” Sirenengleich klar fängt es dich ein: “Du willst mich beißen…. Ich werd für dich vergehen.” Liebe ist auch Risiko. Russisch auf schleichendem Wave und lauernden Drumbeats geht es weiter. Stetig wiederholt, heißt es: “Ich will dich küssen!” Und männlich klingt es aus. Ihr verzerrt euch nacheinander - dein persönlicher Dämon und du. Hörst du das biestige “Ja” dazwischen? Und er hat das letzte Wort. Gefahrvoll und wirr schließt “Bus verpasst” an und zeigt noch einmal: Manchmal ist alles drumherum egal, wegen genau dieser Sehnsucht, die nichts stillen kann, was auch immer du tust. Und so stört es auch nicht, dass du dort stehst, da ist dieser Mann und einfach nur der Nieselregen. “Nicht bestellt, nicht abgeholt, steh hier nur so rum.” Mitten im Leben und doch neben der Spur. Die Elektronik fordert marschierend, bis dich das Pfeifen der Nacht wieder fängt. Zarter nackter Singsang schließt in “Through the Darkness” an. Es wird flotter und ein Stück weit wahnsinnger. Denn irgendwann ist das Zerreißen deines Herzes einfach nicht mehr auszuhalten. Oder? Diese Sehnsucht! Diese Gefahr! “I feel his breathe behind my neck…” Und du verfällst ihrem “Lalala”. Die Elektornik wächst fordernd wirr an. Raubt dir die Dunkelheit den Atem? Ist er es, der Vampir, der Herz und Verstand aufbricht? “Hide.. away…” Deine Seele wurde genommen, dein Herz ist gebrochen. Dort oben im Gipfel der Bäume riechst du du den Hauch des Todes. Wirr steigern sich Damen und Sound wie zuvor. Den Schluss macht “Angst”. Was ist dies alles ohne Risiko? Das schnelle Glockenspiel führt dich mitten hinein in eine letzte Betrachtung. Fordernd fängt dich der Sound. Die Stimme schreitet, pausierend, erzählend. Und wieder steigert sich das Ganze mit Stimmwechsel für mein kleines Herz. “Ich will mich noch verstecken, doch du bist schon zu tief in meinem Kopf.” Der Bass bestimmt. Der Abgrund zieht dich immer mehr an? Der Dämon in dir will siegen? Süße kleine Todessehnsucht? Und dann: “Ich will mich nicht verstecken. Egal, was passiert.” Du bist schon längst verloren, zu schwach zum Widersetzen. Die Elektronik wird wild und mit einem Echo klingt es aus: “Angst”. Ein langer Text und ein kurzes Fazit: Das war genau meins - ein impulsives Gemisch und schon mit ein bisschen Wahnsinn. Ich habe mich gefunden. Vielleicht ihr auch? Stellen wir uns unseren inneren Dämonen - was immer das für jeden einzelnen bedeutet. 27.11.2020 Dark Dimensions Label Group www.[scanner-dd.bandcamp.com/album/unification] 1. Abseits 2. Geld 3. Herz 4. Unification 5. Allein 6. Wo die Sonne nicht scheint 7. The Hunt 8. Rätsel 9. Träume explodieren 10. Vampir 11. Bus verpasst! 12. Through the Darkness 13. Angst