Tracey Thorn – wer diesen Namen nicht kennt, braucht nicht gleich zum Strick zu greifen, schließlich ist das jüngst erschienene Album „Out Of The Woods“ erst das zweite ihrer Solo-Karriere. Außerdem liegt die letzte Veröffentlichung „A Distant Shore“ fast 25 Jahre zurück. Beim Namen Everything But The Girl dürfte es da schon eher klingeln, oder? Richtig – seit 1984 war Frau Thorn die Stimme des englischen Pop-Jazz-Duos bevor sie sich 2000 aus dem Musikbusiness zurückzog, um sich ihren inzwischen drei Kindern und Ehemann Ben Watt – auch richtig, der zweite Teil von Everything But The Girl – zu widmen. So ganz ließ sie die Musik aber doch nicht los. 2005 hatte sie einen Gastauftritt bei Tiefschwarz auf deren Album „Eat Books“, begann selbst Songs zu schreiben und nahm diese mit einem antiquierten 4-Spur-Kassettenrekorder am heimischen Küchentisch auf. So entstanden die ersten Fassungen derjenigen Titel, die jetzt auf CD gebrannt sind. Bei der Auswahl der musikalischen Partner für die Produktion griff Tracey hingegen nicht in die Mottenkiste, sondern verpflichtete einige der innovativsten Köpfe in Sachen elektronischer Musik, wie Ewan Pearson, der sich bereits als Remixer für u.a. Goldfrapp oder die Pet Shop Boys hervorgetan hat oder den House-Produzenten Charles Webster. Des weiteren legten Tom Gandey aka Gagedbaby, Martin Wheeler (Vector Lovers) und Alex Santos (Darkmountaingroup) ihr musikalisches Know-How in die Waagschale. Viele Namen und dennoch bestimmt nur eines alle 11 Titel von „Out Of The Woods“, Tracey Thorn's samtweiche Altstimme. Beim Opener „Here It Comes Again“ schmeichelt sie sich unverfälscht und nur von Streichern begleitet in die Gehörgänge, bevor das folgende „A-Z“ dezente Percussions erlaubt. Spätestens bei dem als Single ausgekoppelten „It's All True“ wird jedoch klar, daß Tracey auch tanzflächentaugliche Hits schreiben kann. Ein wahrer Ohrwurm mit leichtem 80er Flair. Da werden Erinnerungen an alte EBTG-Platten wieder wach oder, wie im Falle von „Raise The Roof“, an die Eurythmics. Im Gegensatz dazu klingt „Get Around To It“ - der einzige Song übrigens, der nicht aus Tracey Thorn's Feder stammt – modern und funky. Mit jazzigen Saxophoneinsätzen und kleinen elektronischen Spielereien der ideale Soundtrack zum entspannten Lounging. „Grand Canyon“ indes lädt mit pochenden House-Beats zum gepflegten Gliederschütteln im noch gepflegteren Club ein. Beides nicht ganz mein Ding, aber das ist Geschmackssache. Ich bevorzuge nun mal „Tracey Pur“, ohne die genannten Tracks abwerten zu wollen. Sie selbst allerdings wohl ebenfalls, denn die meisten Songs sind nur sparsam instrumentiert und lassen den Gesang wunderbar zur Geltung kommen. Das ist gut so, denn habe ich schon erwähnt, daß Tracey Thorn eine samtweiche Stimme hat, von der man gar nicht genug kriegen kann? Und so wünscht man sich nach den nicht gerade üppigen 43:01 Minuten mehr und mehr und mehr... Popmusik wie sie sein soll. Hoffen wir also, daß der alte Kassettenrekorder noch lange seinen Dienst tut.