Tomas Tulpe geistert bereits seit einiger Zeit über die Monitore vieler musikalischer Masoschisten und Fremdschäm-Freunde. Denn der Berliner ist eigenwillig in jeglicher Erscheinungsform. Absichtlich trashig bis zur Schmerzgrenze erscheint mit "Hatschi" nun das Debutalbum des bezeichnenderweise bei Frank Zander unter Vertrag gekommenen Künstler und nun ist es an mir, mich dazu zu äußern. Vorweg sei natürlich gesagt, dass gerade bei solch polarisierenden Werken eine (Be)Wertung mehr als schwierig ist und auch nur (m)eine Einzelmeinung sein kann. Also los geht es mit einer nach dem Labeltext zitierten Mischung aus tanzbarem Helge Schneider und einer singenden Teewurst im Atari-Elektropop-Stil... Halleluja. 45 wirklich anstrengende Minuten liegen da vor dem Hörer und der Eindruck verändert sich mit jeder Herangehensweise enorm. Folgende Faktoren gibt es dabei zu beachten: 1) Bin ich gut drauf, wenn ich die CD einlege? 2) Mag ich trashige Musik (also (absichtlich) schlecht gemachte – besonders solche Querschläger der NDW, dem 90er Eurotrash und dem modernen Atzensound)? 3) Höre ich das Album am Stück oder jede Woche einen Titel? 4) Liegt mein Pegel über oder unter der 3,0% Promille Marke? 5) Mag ich manchmal plumpe Texte, auch aus dem Pupertäts-hihi-er-hat-anal-gesagt-Bereich? 6) Höre ich das Album alleine oder mit Freunden (und haben die auch die 5 vorangegangenen Punkte beachtet?)? Ja, das alles sollte man sich gut vorher überlegen, denn sonst kann unweigerlich der Wurf des Getränkegefäßes gegen die Stereoanlage folgen, in der Hoffnung, dass der Müll schnell aufhört. Tomas Tulpe tut mehr als weh. Aber leider nicht auf einheitlichem textlichen und humoristischen Niveau... Musikalisch kann man aber erst einmal die Daumen auf schräg-oben drehen. Denn der krude Mix aus Pop, Elektro, Minimal oder Elektrotrash mit metallischen Querschlägern ist fein produziert und könnte für arbeitende Nackenmuskulatur und etwas Training auf der Tanzfläche sorgen. Doch nun zur Vocalarbeit des Selbstdarstellers, dessen Look-Beschreibung einen nicht unerheblichen Teil der Bandvorstellung einnimmt. Mit Berliner Schnodderschnauze und symphatisch-professioneller Unprofessionalität reitet er durch 14 Lieder. Es fängt durchaus stark an und macht richtig Laune ("Ich tanz auf dich" und "Disco", die bereits ordentlich auf Youtube geschaut wurden und wohl erst das Album ermöglichten). Wenns so bliebe (sowohl vom Textniveau als auch vom Mitthibbelgrad), dann wäre "Hatschi" ein starkes Brett ... für Trashfreunde. Mir vergeht es aber bald, denn zunächst wird es fad, dann lahm und schließlich nervig. Körperhygiene, Anspielungen auf die schwarze Szene die über eine vereinsamte Pointe nicht hinauskommen oder das Sparen durch die Verwendung von Klosteinen statt Seife zur Melodie von "Quanta la mera" (ich kann kaum genügend Kraftausdrücke zusammen bringen um zu erklären, wie ich diesen Song finde). Und irgendwann endlich auch ein Lied über die Vorhaut von Tomas Tulpe. Ich höre ja gerne Trash, aber "Hatschi" ist einfach häufig so furchtbar unpeppig, bemüht und schlecht-schlecht (also schlecht auch im trashigen Sinne), dass es zumindest mir vergeht. So ging es aber andren nicht. Viele fanden Herrn Tulpe sogar gut. Deswegen finden wir Beiträge von Frank Zander, The Horrist, Rummelsnuff sowie Remixe von Chris Pohl, Haujobb und Lola Angst auf der CD. Sich um Trash bemühen und dabei ein funktionierendes Liedgut zu erzeugen, dazu gehört Glück und ein goldenes Text-Händchen. Und sicherlich hatte Herr Tulpe das mit den ersten 2 (vielleicht 3) Liedern der CD. Doch dann ging es an ein komplettes Album und er stand vor einem Problem – 14 mal über die Disko singen geht nicht, also müssen Alltagsthemen her und verwurstet werden. Wem es gefällt und wessen Toleranz und Fremdschäm-Grenze WIRKLICH tief angesetzt ist, der kann "Hatschi" ganz witzig finden. Ich bin mir aber sicher, dass Herr Tulpe nicht der Humor-Messiah ist, der da in den Ankündigungen verspochen wird. Zumindest hoffe ich wirklich, dass er es nicht ist, denn noch mehr von dem heißen Scheiß will ich nicht hören.