„Hallo Hamburg“ spricht Frontmann Dirk von Lowtzow und schon beginnt die wilde Fahrt mit der Achterbahn der hochintellektuellen Ergüsse. Nach „Kapitulation“ folgt „Kapitulation Live“, das mit dem Auftritt im Hamburger Kulturzentrum daherkommt. Wenn man ein verschrobenes Live-Tape aus den Mittneunzigern berücksichtigt, handelt es sich hier nun um die zweite Live-Scheibe der Hamburger Jungs von Tocotronic. Hauptaugenmerk liegt hier, wie es der Name schon verrät, auf dem letzten Studioalbum „Kapitulation“, dass auf vorliegenden Tondokument auf seine Live-Qualitäten überprüft und mit neun Songs berücksichtigt wird. Der Spiegel schrieb einst „Die Stücke auf Kapitulation (...) feiern, poetisch überstilisiert, den Triumph der Niederlage, die Kunst der Verlierens. Sie stellen den Absturz über den Aufschwung, bieten Erlösung durch Ergebung“. Doch funktioniert dies auch live??? Allen die „Kapitulation“ trotz der rockigen Ankündigungen und der Vorabveröffentlichung „Sag alles ab“ zu weich, zu harmlos und zu poppig erschien, sollen nun eines besseren belehrt werden. Gleich der Opener „Mein Ruin“ klingt rotzig, trotzig und genau so wie man sich Langzeitstudenten aus guten Haus beim Musizieren vorstellt – voller Selbstüberschätzung, voller Idealisierung des Grauens einer überdurchschnittlichen Intelligenz. Neben neuen Stücken haben sich natürlich auch alte Klassiker in das Programm geschlichen, so wie „Sie wollen uns erzählen“ oder das oft geforderte und selten ignorierte „Freiburg“. Aber die Scheibe hat nicht nur ein Problem. Da wäre zum ersten die selten aufkommende Atmosphäre. Das Publikum bemerkt man nur durch gelegentliche, angetrunkene „Freiiiiburg“-Rufe oder durch ein polterndes „Heeeeyyyy!!!“ nachdem Dirk mit „Ein Heimatlied gegen die Heimat – aber man kann dazu Tanzen“, meinen Lieblings-Urlaubssong „Aber hier leben, nein Danke“ ankündigt. Ein Konzertgefühl oder die Sehnsucht leibhaftig dem Abend beizuwohnen, kommt zu keiner Zeit auf. Das andere ist die oben angesprochene Songauswahl. Auf Dauer fragt man sich schon, wer diese Live-Scheibe braucht, wenn er den Silberling „Kapitulation“ bereits sein Eigen nennt. Klar ist es etwas rockiger, doch da schon die Studioaufnahmen unter Live-Bedingungen aufgenommen wurden sind, geht die anfängliche Freude schnell in Gleichgültigkeit über, auf Grund der dahinplätschernden Songs und der klischeehaften Ignoranz gegenüber sich selbst und seiner eigenen Sympathiefähigkeit. Allein „Sag alles ab“ scheint sich gegen die wehrlose Selbstaufgabe aufzulehnen. So verkommt das Konzert zu einer ziemlich lahmen Veranstaltung und die Scheibe zu einem bloßen Pflichtkauf für alle Die-Hard-Fans. Studenten von heute sind eben auch nicht mehr das, was sie mal waren. Mit Laptop, Geschirrspülmaschine und zwei Bädern gestylte WGs lassen die Freude an der Provokation und Rebellion schnell vergessen, so dass am Ende nur das Frühstück um 15 Uhr als einzige Auflehnung gegen eine glatt gebügelte und strukturierte Gesellschaft übrig bleibt. Kraft- und Saftlos....Und warum man „Wehrlos“ vom nachmittäglichen Soundcheck als Finale auf die Platte gepresst hat, bleibt meinem Intellekt ebenfalls verschlossen.