Gothic Rock-Bands gibt es nun wirklich wie Sand am Meer. Entweder man reiht sich in Bands der Sorte HIM, The 69 Eyes, Lacrimas Profundere etc. ein oder man versucht neue Elemente zu schaffen bzw. andere Spielereien einzubauen um sich irgendwie aus der Undankbarkeit des ständigen Sich-Selbst-Kopierens zu befreien. Welchen Weg hat die Aachener Band Thora gewählt? Nun ja, mit dem aktuellen Album „Baby No. 666“ reihen sie sich ein und fließen stromabwärts. Von der Presse teilweise mit Bezeichnungen wie „Entdeckung des Jahres“ in den Himmel gehoben, wird hier aber nur stinknormaler melodiöser Gothic Rock mit Standard Akkorden und Riffs geboten - auch gesanglich keiner bemerkenswerte Abwechslung zu diversen anderen Bands des Genres. Zweifellos musikalisch keine schlechte Leistung, nur leider gibt es diese schon in x-fachen Ausführungen. Auf „Baby No. 666“ finden sich zwar mehr als genug Tanzflächenfüller, so dass dieses Kriterium schon mal erfüllt wäre, fehlen tut es der Scheibe jedoch erheblich an Wiedererkennungswert – zumindest was den ersten Teil des Albums betrifft. Mit Songs wie dem Opener „Suicide Girl“, „Searching For Gold“, dem Titelsong „Baby No. 666“ schwimmen wir weiter auf mäßigschnellen Strömen mit typischem Schreigesang, Synthies und teilweise sehr schönen Leadgitarren, lassen uns jedoch auch nicht die Wurst vom Brot nehmen. Als Anspieltipp sollte man dahingegen das düster-melancholische „Lonely Lullaby“ festhalten, was perfekt zur Flasche Wein geeignet, eigentlich nur noch durch das Fehlen des typischen Stöhnens von einem nennenswerten Gothic-Kassenschlager entfernt ist. Doch ab „Serpent Heart“ steigt zum Glück dank musikalischer Abwechslung die Aufmerksamkeit. Auch wenn man diesen Song mit der unspektakulären Bezeichnung Mainstream Pop betiteln könnte, hebt sich dieser erstaunlicherweise sehr positiv vom Rest der Platte ab; endlich weg vom Einheitsbrei und endlich Vermittlung des Gefühls, dass hier auch Herzblut miteingeflossen ist. Und das Blatt bleibt gewendet: Ab dem achten Song, „Rest In Peace“ droht Schreialarm mit treibenden Beats, leckeren Akkorden und richtig Feuer unter’m Allerwertesten. Das hat Power, das hat eigenen Stil, hier spürt man endlich die Lust am Musizieren. Der Daumen neigt sich langsam nach oben und ändert auch bei den nachfolgenden Tracks seinen Winkel nicht mehr. Man kann gut sagen, dass „Baby No. 666“ einen Wandel von seichtem Gothic Pop Rock zu härteren Klängen durchlebt, die jetzt nun wirklich die Bezeichnung Goth Metal verdienen, quasi als Belohnung für den geduldigen Hörer, der sich die Mühe macht die Scheibe komplett zu hören...oder auch als einen Versuch quietschende HIM-Teenies zu Metal-Gören umzuerziehen. Dies sei dahingestellt. Fakt ist, dass auch mit dem herzzerreißenden ,gänzlich vom Piano begleiteten „In Her Seasons“, dass uns in kuschelig warme Leidenschaft versetzt, weiterhin ein Schmankerl bis zum Ende aufgehoben wurde. Das abschließende „Rescue Me“ knüppelt zu guter Letzt, wie sich das auch gehört, noch einige metallische Töne aus den Klampfen, sodass dieses Stück in einer klassisch zerschmelzenden Rock-Ballade endet. Da bleibt nur noch eins zu sagen: „Baby No. 666“ durchläuft eine glückliche Wende, die noch so einiges an Hörspaß rausholen konnte und Lust auf mehr macht. Beim nächsten Mal bitte gleich so!