The Peoples Republic Of Europe ist das Rhythmic Noise-Projekt des Niederländers Pieter Winkelaar, der auch als DJ Krat in holländischen Clubs zum Tanzen und mit seinem IDM/Ambient-Projekt Kratarknathrak zum zurücklehnen animiert. 2000 erschien die erste CDr, 2004 das Debüt-Album, und seitdem bringt er im Jahresrhythmus neue Alben auf den Markt. "Babylon" ist Nummer 6, kam letztes Jahr heraus und stellt sein bisher wohl abwechslungsreichstes Werk dar. Er baut auf seinen bisherigen Erfahrungen in Dark Ambient, Industrial und Techno auf und erweitert die Mixtur nun mit Einflüssen aus Dancehall, DnB und Dubstep. Die Stadt Babylon war historisch sehr bedeutsam und überdauerte vermutlich mehrere tausend Jahre. In der Bibel gilt sie als gottverlassener Ort des Unglaubens, der Unzucht und der Unterdrückung, damit entspricht sie sozusagen dem Gegenpol zum gottgeweihten Jerusalem. In der Rastafari-Bewegung wurde es als Synonym für die durch Korruption, Unterdrückung, Ignoranz, Dekadenz und viele andere böse Dinge geprägte westliche Gesellschaft verwendet. Als Titel dürfte es also auf religiöse Referenzen und gesellschaftliche/kulturelle Kontroversen abzielen. So ist Xenu bspw. gemäß der Vorstellungen von Scientology der Herrscher einer galaktischen Konföderation, der vor Millionen von Jahren einen Teil der Bevölkerung auf die Erde deportiert haben soll, Nicolae Carpathia ist der Antichrist in der Buch-Serie "Left Behind", und "Ubermensch" wird sich höchstwahrscheinlich auf das Konzept von Nietzsche beziehen, nach dem es Aufgabe der Menschen sei, einen höher entwickelten, ihnen überlegenen Menschen hervorzubringen. Das erste Stück fällt zusammen mit "LHC" unter den Dark Ambient-Aspekt des Albums. Bei "Ubermensch" fallen vor allem die durchgehend zu hörende, verzerrte Stimme und die schwermütige, aus 3 absteigenden Akkorden bestehende Bassline auf. Das ebenfalls vorhandene Rauschen wird nicht zum letzten Mal zu hören sein. Der Opener baut vorbereitend eine ominöse Atmosphäre auf und der noch harmlose Noise-Anteil stimmt darauf ein, was den Hörer noch erwartet . Bei "LHC" fällt jegliches Rauschen jedoch vollständig weg, dafür gibt es permanent brummenden Bass, weit entfernt hallende Schläge und anhaltende, hohe, fragile Sounds, unterlegt mit fast streicher-artig klingender Fläche. Eine sehr geisterhafte, beunruhigende Stimmung, die jedoch auch entschleunigt und eine Auszeit zu den stark rhythmuszentrierten, melodielosen, verzerrten übrigen Stücken bietet. Im Kontrast dazu stehen Tracks wie "Wolfpack", "Geoengineering" und "Wardance", die mit mächtigem Basskick auf jeder Viertel nach vorne tragen und mit typischem Noise-Repertoire wie Rauschen, Feedback und einer rauen Verzerrung das bekannte Industrial-Klangbild erzeugen. Die andere Hälfte von "Babylon" weicht allerdings etwas von diesem Schema ab. "New Babylon" enthält verzerrte Samples von Reggea-Vocals und dementsprechend inspirierten Breakbeat. Damit weist der Rhythmus auch eine gewisse Ähnlichkeit zu "Dirty Distorted Dancehall" auf, bei dem der Name Programm ist, denn es gibt industrialisierte Dancehall-Rhythmen: stark verzerrt, metallisch, noisy, und ein, zu einem Refrain gelooptes, Stimmen-Sample. "White Wall Of Death" ist eher groovig funky, "To Prove A Point" erscheint mit seinen Breakbeats, dem ausgeprägtem Snare-Anteil und der Bassline DnB-orientiert, "Nicolae Carpathia Died For Your Sins" ist Winkelaar's Beitrag zum anhaltenden Dubstep-Trend, und "Bow For Xenu" ist unfreundlich hämmernder Rhythmic Noise mit nachhallender Basskick und hohem Rauschlevel. "Nicolae Carpathia [...]" ist evtl. auch das melodischste Stück des Albums, auf dem ansonsten keine besonders klangvolle Sequenzen in verschiedenen Tonlagen zu vernehmen sind. Hier sorgt der Bass für eine Hookline, die mich auch nach Ende des Werks weiterhin verfolgt und die ich jederzeit nachsummen könnte. Allerdings gibt es auch bei den meisten anderen Tracks im Hintergrund immer wieder dezente Flächen zu hören, die bezüglich des Pitch mehr Variation preisgeben als das Beatwork und der Noise, allerdings halten sie sich bedeckt und entziehen sich jeglicher Prägnanz.. "Babylon" erweist sich als sehr abwechslungsreich, denn zumindest die einzelnen Tracks unterscheiden sich relativ stark voneinander, wenn man vom Rhythmus der 4/4-Boliden mal absieht. Innerhalb der Stücke ist allerdings nicht soviel Heterogenität geboten, die Beats laufen als Loop durch (unterbrochen durch ein paar auflockernde Breaks), und auch die Synth- und Baslinien, Samples, Sounds wiederholen sich häufig bzw. wechseln sich ab, verschwinden und tauchen irgendwann wieder auf. Es gibt keinen Klimax oder dergleichen. Andererseits lassen sich meist auch wieder Komponenten finden, die den Hörer davor bewahren können, sich zu langweilen, z.B. die erwähnten Flächen mit einem Anklang von Melodie und Progression, der Groove mancher Tracks, Soundvariationen oder auch die Samples. Sobald sie die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, fällt die Monotonie aus dem Fokus und wirkt immersiv und hypnotisch. Einige Stücke können sich jedenfalls sicherlich besser in einem DJ Set entfalten als daheim auf dem Kopfhörer. Wer sich nicht sicher ist und den Sound abseits vom Myspace-Streaming kennenlernen möchte, kann die gratis erhältliche Single "Nicolae Carpathia Died For Your Sins" über last.fm herunterladen.