Düsseldorfer Nächte sind lang. Das weiss auch Marcel Nickels, weshalb er mit dem Nebenprojekt The Man sein Repertoir an Tanzflächen-Beschallung erweitert hat und allen müden Bewegungs-Legasthenikern einen motivierenden Tritt in die Leistengegend verpasst. Abseits seiner bisherigen Rhythmic Noise-Produktionen probierte er sich letztes Jahr auf dem Debüt-Album "About Popmusic And Wildthings" an etwas geradlinigeren Beats, sowie Synthlines, die mehr klingen als rauschen. Das Nickels sich damit nicht gerade beim Eurovision Songcontest bewerben kann, sollte kaum überraschen. Was dabei herauskam, ließe sich allerdings einerseits in Industrial-Sets einbinden, andererseits aber auch unter gängigere Club-Sounds mischen. Die Synthie-Klänge auf diesem Album sind in etwa so dezent und zurückhaltend wie das Cover-Artwork. Als relativ einfach gehaltene, repetitive Hooklines stehen sie die meiste Zeit im Vordergrund, wobei die ebenfalls sehr eingängigen Rhythmen getragen werden von markanten, stampfenden Basskicks und für Marcel Nickels-Verhältnisse ungewohnt klaren Percussions. Schon im eröffnenden "Start Again" sind die Lead-Synths sehr prägnant, arpeggiert und mehr auf Rhythmus als auf ausschweifende Melodien ausgelegt. Zwar zeigt der Tiger hier, wie auch in anderen Stücken, immer noch seine Sägezähne, zerfleischt sein Opfer aber nicht bis zur verzerrten Unkenntlichkeit. Der Drumbeat ist klar und bewegt sich im mittleren Tempo, der Basskick wechselt sich mit der einsamen Snare jeweils ab und wird durch flüssiges HiHat-Geklicker begleitet. "Ey T Dirt" legt ein wenig an Geschwindigkeit zu und marschiert mit 4-on-the-floor-Beat der Morgendämmerung entgegen. Der Einsatz der scheppernden Crashs zum intensiven Break gegen Ende markiert hier eine gewisse Steigerung, die im ersten Track nicht wirklich zu erkennen war. "Check My Groove" hat zwar den gleichen Rhythmus, doch klingen die Percussions nicht so natürlich, sondern wesentlich härter. Der schwere, trockene Beat dürfte zusammen mit den evtl. LFO-modifizierten, blubbernden Midrange-Synths für ein paar feuchte Augen in der Disko sorgen. Das Besondere an "Organ" ist, wie der Name schon andeutet, die Verwendung von Orgel-Geklimper, das an die gute alte Hammond-Orgel erinnert. Der Klang wird aber fast überlagert durch die leicht kratzigen Pads. Rhythmisch wird hier wieder etwas mehr Abwechslung geboten, bedingt durch einige interessante Breaks und einen etwas stärker beschäftigten, gedämpften Kick. Damit wären wir auch schon in der Mitte des Albums und einer willkommenen Ruhephase. Das kontemplative "Dreams Of A Tiger" besticht durch sanft-sphärische, gläserne Flächen, dumpfen Beat mit etwas ungewöhnlichem Metrum und vereinzelten, ausklingenden Gitarren-Akkorden. Die beiden Lieder danach stellen für mich die negative Seite dieses Albums dar. War es bisher schon immer fast grenzwertig, was einem an Wiederholungen und penetranten Klängen zugemutet wurde, so gehen diese beiden Exemplare in der Hinsicht für mich zu weit, da helfen auch keine Strings mehr. Die mal hektische, mal quakend in die Länge gezogene, dissonante Tonsequenz geht mir nach ein paar Durchläufen schon auf die Nerven, wobei es dem Beatwork jedoch gelingt, meine mentale Stabilität aufrechtzuerhalten. In "The Man Comes Around" kehrt The Man wieder zu den natürlicher klingenden Percussions zurück und spendiert immerhin noch einige unterhaltsame Breakbeat-Passagen zum Standard-Technobeat. "The Man Likes The Man" enthält wieder ausklingende Gitarrenakkorde, die hier nach einer Weile in ein Riff übergehen und eine Melodie aufbauen, die sich zwar nicht wirklich von den bisherigen Synthlines unterscheidet, aber durch den Klang der unverzerrten E-Gitarre eine andere Qualität einnimmt. Zusammen mit dem lässigen, dezenten Beat und den diesmal etwas zurückhaltenderen Arpeggios wird wieder etwas mehr Raum für Stimmung und Atmosphäre geschaffen. Auch "Beavercoast" bleibt eher ruhig, sofern man eine knarzig-rauschende Soundkulisse so beschreiben kann. Dieses Stück kommt dem 100Blumen-Sound wahrscheinlich am nächsten. Der träge, massiv wummernde Breakbeat ist mit Distortion bearbeitet worden und erinnert an das "typische" Rhythmic Noise-Sounddesign. Zum Abschluss gibt es mit "Blasting Sound Of A Tree" nochmal etwas Besonderes: Marcel Nickels hat eine Art Dubstep-Track gebastelt, d.h. es gibt einen schönen, wummernden Basskick, den stereotypen Dub-Hall bei der Snare und eine düstere, wobbelnde Synthie-Säge. Viel Abwechslung gibt es innerhalb des Stücks nicht wirklich, aber sofern man der Stimmung und dem Bass etwas abgewinnen kann, ist das auch sekundär. Auch wenn manche Stücke auf "About Popmusic And Wildthings" etwas repetitiv, ziellos und minimalistisch erscheinen, haben sie alle durchaus Unterhaltungs-Potential. Wenn nicht im Kontext des Albums, dann in einem Set in der Diskothek. Der verhältnismässig einfache strukturelle Aufbau macht die Lieder nämlich auch sehr zugänglich, sofern man von ein paar Klangverbrechen nicht abgeschreckt wird. Zudem kann man dem Debüt einen gewissen experimentellen Charakter nicht abstreiten, dazu sind einige Passagen einfach zu abgefahren. Marcel Nickels hatte merklich Spaß an dem Album, und der überträgt sich auch.