Es lebe die Unauffälligkeit! Wenn ich die CD, die sich da gerade in meinem Player um Gunst bemüht, gehört hätte ohne zu wissen, dass ich einige Tage später einen Text verfassen soll, ich hatte sie recht schnell wieder ad acta gelegt. Denn mit ihrem Debut gibt der englische Dreier The last cry eine Visitenkarte ab, die auf leicht grauem Papier mit leicht grauer Schrift bedruckt wurde. Gesichtslosigkeit kontra allen liebgewonnen Eigenarten einer ganzen Szene und Epoche – der Leser entscheidet. Goth Rock ist mein Ding. Und es gibt ihn ja tatsächlich noch. Es erschienen dieses Jahr Alben von aktiven und verlässlichen Größen (The House of Usher, Inkubus Sukkubus) und es fanden sich schöne Überraschungen in meinem Promostapel (Christine plays viola und ganz besonders Les fleurs du mal). Und nun zum Jahresabschluss muss dann eben doch ein weiterer Sargnagel für die Kiste, in der die Kreativität und Spielfreude begraben liegt, ankommen. The last cry sind wirklich zum Schreien – denn anders kann man kaum wachbleiben. Durchschnittlicher Gothrock, durchschnittlich kopiert von überdurchschnittlichen Altmeistern, umgesetzt mit einer Durchschnittsinstrumentierung, durchschnittlichem Gesang und dank einer unterdurchschnittlichen Produktion noch lahmer erscheinend als der Durchschnitt der Veröffentlichungen: So könnte man den Genuß von "Walking to the edge" eigentlich abschließend beschreiben. Wehmütige E-Gitarren Wände, Dauerkeyboardbeschallung für Fülle, unaufällige Bass- und Schlagzeugarbeit und ein etwas kraftloser und quäkiger Gesang – alles wie immer also. Dass nette Momente ausbleiben möchte ich dabei gar nicht behaupten. Dazu sind The last cry viel zu nah am "guten Sound". Nur ist es erschreckend, dass man bereits beim ersten Hördurchlauf genau weiß, was innerhalb der einzelnen Lieder als nächstes kommen wird (schlimmer noch, wenn man bereits die Reimeschemen frühzeitig erkennt und so mitsingen kann ohne das Lied zu kennen). Mit "Nowhere" und "Prison of dreams" findet man dann zur Albummitte 2 Lieder, die das Bewußtsein erreichen können. Zwar auch nicht mehr als nett könnte man diese beiden Lieder aber immerhin mehrfach hören ohne wegzuhören. Ansonsten fällt es schwer, sich nicht automatisch mit etwas anderem zu beschäfitgen und The last cry im Hintergrund untergehen zu lassen. Dann, nach einer Stunde wird man merken, dass es stiller ist als vorher, aber man wird nicht wissen, wie die Melodien der letzten 3 Lieder waren – bedenklich.