Es gibt eine gute & eine schlechte Nachricht: The Dreamside bleiben sich treu. Nomenklaturen wie Zeitlos trotz Veränderung, betörende Spiritualität, filigrane Arrangements eingebettet in pointierte Breitwand-Kompositionen oder der elfenhafte Gesang einer fesselnden Frontfrau lassen sich immer noch locker mit diesem Bandnamen zusammenfassen. Dennoch ist "The 13th Chapter" kein nostalgischer Festakt mit verklärtem Blick zurück inklusive einschlägig beliebter Bilanzierung der eigenen Bandentwicklung geworden & ebenso wenig die Manifestation eines Status Quo in Sachen Sound-Ausrichtung. Kemi Vita gründete 1994 die Band um facettenreiche Emotionen in den Raum zu stellen & ihre Liebe zur Kreativität mit anderen wachsen & gedeihen zu lassen. Immer ohne Netz & doppelten Boden... manchmal mit Bauchlandungen. Ihr dynamisches Konzept traf stets voll ins Schwarze, blieb jedoch unverschämt anfällig für Einflüsse jenseits des Genre-Konformismus. The Dreamside war/ist/& wird immer Vielfalt sein & genau jenen Ansatz verfolgt auch die Anniversary-Scheibe anhand 13 zutiefst unterschiedlichster Tracks. Da wären zunächst drei neue Stücke als Ausblick, zwei Aufarbeitungen der Vergangenheit & letztlich die acht Interpretation von Freunden. Freundschaft ist hierbei tatsächlich wörtlich zu nehmen, über deren Verlauf das Booklet auch ausführlich Auskunft gibt... Gerade diesen Remixes hört man an, dass es sich nicht um übliche seelenlose Best-Of-Auftragsarbeiten oder Cubase-Schnitzereien mit unbedeutend stilistischen Repressalien handelt. Die Mehrzahl der Tracks würden sicherlich auch allein als Club-Smasher funktionieren, jedoch bleibt die Scheibe ein in sich geschlossenes Werk, dessen Zentrum die unterschiedliche Beleuchtung von Kemi's Stimme ist & die mitnichten den Eindruck eines zusammengewürfelten Samplers erweckt. Jetzt schlägt's dreizehn, dachten sich wohl auch Vigilante & untermauern die existenzialistische Hymne "Forsaken" sogleich mit knochentrockenem Industrial-Rock aus den Anden. "Die Hoffnung" stirbt zu letzt... meint Hollands Synth-Pop-Adresse No. 1, Angels and Agony, & gratuliert in ihrer Interpretation mit mehr Gas auf dem Dancefloor wie die originäre Danceversion des "Spin Moon Magic" Albums. Das da aber noch mehr geht, beweisen Hungry Lucy & versetzen in ihrem Mix von "Into a Frenzy" jedermann tatsächlich in Raserei. Das gibt ein klares Votum für meine persönliche Jahres-Top-10! Ganz anders danach dann Aaron Jasinski. Der Pop-Art-Künstler kam über AcidPlanet an "Forsaken" & gewann mit seinem Retro-Flashback der analogen Maschinen dort den Contest. Lunascape feiern indes das björkeske "The Sirene's Feast" mit relaxter belgischer Instrumentierung & Loops mit meditativer Wirkung. Jan Yrlund (Lacrimosa, Danse Macabre, Ancient Rites etc.) setzt in seiner Satyrian-Version des Neuzugangs "In Longing" auf voluminöse Choräle & alles was das Düsterrockerherz begehrt. Eine Pause für die Nackenmuskeln verschafft uns danach Soundtüftler Illa Noiz, dessen Remix ging während des verheerenden Hurrikans Katrina verloren & er erhielt auf dieser Scheibe nun die Möglichkeit seine Sicht der Dinge in Downtempo, Hip Hop & House an den Mann zu bringen. Klingt vielleicht etwas kirre, passt aber ungemein & erinnert ein bisserl an die frühen Soul II Soul. "Above Below Around" transformiert in seinem 2007er-Kleid zur Blaupause für den erfolgreichen Popsong, während die Überarbeitung von "Nuda Veritas" voller Gitarren- & Industrial-Bombast neu erstrahlt. Die tatsächlich nackte Wahrheit jedoch ist: Dies ist nicht Track 10 wie mir das Booklet verheißt! Dieser Track hat sich beim Mastering nach vorn gepirscht & "Treasures" lässt noch 4,27 Minuten auf sich warten. Dass sich dies gelohnt hat, belegt nun die mit Abstand frischeste Wave-Pop-Perle der letzten Jahre. Die Dynamik der Stimmen von Kemi & Felix Flaucher setzt ungeheure Energien frei & Roman Schönsee ziselierte noch orientalisch anmutende Soundscapes auf dieses Kleinod. Quasi wie eine Reminiszenz an "Goddesses" vom 94er Debüt-Album & letztlich auch das bravouröse Ergebnis einer konzentrierten Zusammenarbeit beider Bands seit Silke-Bischoff-Tagen. Ebenso sprachlos macht mich Cyberpunk Kenji Siratori (Sci-Fi-Autor & neben Ronan Harris auch Teil des ModCom-Projektes). Seine Interpretation von "Unspoken" knallt mit infernalischen Riffs des Metal-Core-Gitarristen Karl Fieldhouse (Born From Pain) & der irrwitzigen japanischen Rezitation seines Poems "MadBoy" aufs intensivste in meine gustatorische Wahrnehmung. Aber genug mit der Wahrnehmung durch andere, die letzten zwei Tracks gehören wieder ganz allein den Jubilaren. An "In Longing" werden Liebhaber vom Sound des letzten Longplayers ihre helle Freude haben... Der Absacker indes zeigt auf, dass Gothic-Metal aus den Niederlanden längst nicht so beliebig & ausgelaugt klingen muss wie uns die Düstercharts hierzulande seit Jahren weiß machen wollen ;-) Wem das jetzt zu viel Vielfalt war, dem schmettert Kemi mit göttlichem Glauben ein beherztes "Sticks and stones may break my bones, but nothing..." entgegen. Also sinngemäß: Mir doch scheißegal, nichts bleibt wie es war! Legt man nach diesem Trip durch Mystik, Depression, Romantik & Hoffnung die Scheibe in den Rechenknecht - meldet sich diese etwas kryptisch als "070730_1742" & zeigt die Band livehaftig von ihrer besten Seite. Ähnlich wird es wohl auch am 03. November auf dem Terra-Gotha-Festival zugehen, wo dieses Album der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Bleiben mir zum Abschluss nur noch die Gratulation auch von dieser Seite & der Wunsch nach allem erdenklich Guten... auch musikalisch.