Denke ich an Unendlichkeit, dann fallen mir in erster Linie zwei verschiedene Bilder ein: Das erste bin ich selbst, in sehr viel jüngeren Jahren in einer kühlen Winternacht fasziniert starrend in die Weite des schwarzen, sternenübersäten Himmels, kaum fähig zu verstehen, die vielen glitzernden Punkte, an benachbarte Glühlämpchen auf einer riesigen Modelleisenbahn erinnernd, seien riesige Himmelskörper, die noch viel größere Distanzen voneinanter trennen. Das andere ist die Analogie von der begrenzten Unendlichkeit des Universums, ähnlich wie die Oberfläche einer Kugel quasi "unendlich" ist für ein Wesen, welches sich ziel- und orientierungslos auf derselben bewegt. Unendlichkeit umgibt uns jeden Tag, ganz gleich ob im großen, "kosmischen" Sinne oder in kleinen Details, in denen wir sie möglicherweise gar nicht vermuten (man betrachte etwa die Menge an Zahlen zwischen 0.1 und 0.2 ...), und obwohl wir sie uns kaum vorstellen noch wirklich verstehen können, sind wir permanent damit konfrontiert. Verwundert es, daß wir zu abstrahieren beginnen, daß unsere Gedankenwelt Komplexes auszublenden und zu vereinfachen sucht, wo auch immer es möglich ist? So gesehen kann man auch "last night i dreamed of armageddon" als ein Ausblenden von Komplexität, als das Beschreiben eines wohldefinierten (zeitlichen) Bereichs der Unendlichkeit vorstellen - man denke an das akustische Gegenstück zu einem Vergrößerungsglas, mit dem sich Klänge wahrnehmbar machen lassen, die vorher den menschlichen Sinnen entweder entgangen oder aber dem Filtervermögen des Gehirns zum Opfer gefallen sind: Plötzlich hört man das Geräusch von Planeten in der Bewegung auf Ellipsenbahnen um ihre Sonnen, man hört die Bewegung der Verschiebung kontinentaler Platten ebenso wie das sanfte Dahingleiten von Wolken und das Wachsen, Blühen, Welken, Verfallen von Leben, welches uns jeden Tag umgibt - ein hörbares Bild der Natur, harmonisch, ruhig und, der Geschwindigkeit der Vorgänge angemessen, nahezu statisch. Und man hört Geräusche dessen, was die Zivilisation in diese Welt getragen hat. Man meint den Fluß von Elektronen durch stromführende Leitungen ebenso wahrzunehmen wie Funk-Wellen im Äther, das monotone Brummen irgendwo verborgener Generatoren oder das Knarren sich unter Last biegender Träger, die das Fundament unserer Städte halten; Töne, die irgendwie anders sind als die Geräuschkulisse der Natur, technischer, kantiger, in unbewußter Art und Weise rhythmisch... Dies ist der Eindruck, den das australische Projekt TERMINAL SOUND SYSTEM auf "last night i dreamed of armageddon" hinterläßt: Schwebende, natürliche und nahezu monotone Klangflächen werden nahtlos verschmolzen mit minimalistischen industriellen Passagen, mit Samples und Geräuschen, formen teilweise nahezu chaotische Strukturen, aus denen sich, irgendwann, im Ohr des Zuhörers ein markanter, eigentlich offensichtlicher Rhythmus ergibt, von dem man den Eindruck hat, er wäre schon immer dagewesen. Die neun Songs auf "last night..." formen letztendlich über den Zeitraum von knapp einer Stunde hinweg bizarre, wenngleich auch faszinierende Industrial-Ambient - Welten; Klänge, perfekt geeignet, um an einem frostigen Wintertag unter den weit geöffneten Dachfenstern zu liegen und in die Ferne des Universums zu starren... Wer sich Tangerine Dream's "Zeit", "Time Machines" von Coil oder ruhigere Tracks von Projekten wie Mlada Fronta immer wieder mit Freude anhören kann, für den dürfte "last night i dreamed of armageddon" eine gelungene Ergänzung für seine Sammlung darstellen; wer erst 'reinhören will, dem seien insbesondere "tomorrow will not come", "frame theory" oder "the structure of tasks" nahegelegt. Fünf von sechs für ein sehr interessantes Album.