Rechtzeitig zu Beginn des schwül-stickigen Sommers weht mit dem zweiten Album von Talvekoidik, „Negotiate the distance“, ein frischer Wind durch den Stapel der musikalischen Neuerscheinungen. Nach fünf Jahren Wartezeit – nach dem von Presse und Fans mit Begeisterung aufgenommenen Debüt Silent Reflections“ – wirkt das Album wie ein Befreiungsschlag, ein hörbares Aufatmen, die lang ersehnte Abkühlung für erhitzte Gemüter.

Kai Hahnewald, unermüdlich auch mit seinem Hauptprojekt S.K.E.T. kreativ, hat wieder alles richtig gemacht und sich die Zeit genommen, um etwas so Großartiges, Bewegendes zu schaffen, wie es „Negotiate the distance“ geworden ist – ein Titel bzw. eine stark soziologisch geprägte Überlegung übrigens, die Hahnewald auf seiner website näher erläutert und die es sich fortzudenken lohnt, während man die Musik auf sich wirken lässt. Auf faszinierende Weise vermögen die neun Stücke das Dilemma des „social distance“ bzw. eben gerade das Fehlen desselben – sehr geschmackvoll durch das Coverfoto verdeutlicht – aufzulösen und einen von Raum und Zeit scheinbar unberührten Zustand zu schaffen, der mit einem tiefen, fast rituell anmutenden Atemzug beginnt („Take a deep breath“). Hahnewald verdichtet filigrane synthetische Klanglandschaften mit neoklassischen Piano- und Streicherklängen voller Melancholie, schwerelos wirkende Geräuschfragmente, dezent eingesetzte Rhythmen und Stimm-Samples zu einem Gesamtbild von cineastischer Größe. Gedanken und Stimmungen entstehen und verflüchtigen sich wieder, wie Wolken am windgepeitschten Himmel, ein Regenschauer überzieht das Land, um kurz darauf von der Strahlkraft der Sonne verdrängt zu werden, Hell und Dunkel wechseln sich ab, um am Ende in hoffnungsvoller Erwartung zu verbleiben („Awaiting you to return“).

Sanft wie ein Windhauch, aber auch stark und kraftvoll wie ein reinigender Sturm setzt sich „Negotiate the distance“ im Kopf und im Herzen fest, es beruhigt und wühlt auf zugleich, und es hinterlässt ein tiefes Gefühl von Schönheit, von Hoffnung, von Liebe und vom Glücklichsein – ein Gefühl, das einen über alle Distanz/Nicht-Distanz erhaben macht.