Taake – wieder so eine Band, die den unbequemen Charakter der Black Metal Szene nicht unbedingt verbessert und es auch gar nicht möchte. Wie bei der Mehrheit der Texte, die man zu diesem Genre (ganz ähnlich dem Neofolk) schreibt, kann man nicht unbefangen über das Gehörte sinnieren sondern muss sich auch mit den Künstler und seinem Verhalten im außen befassen: Ich fasse für mich zusammen, dass Hoest, Mastermind hinter Taake, keine Person ist, deren Handeln und Aussagen ich als interessant oder positiv bewerte. Er ist ein unangenehmer Provokateur, der nach Übertretung von Grenzen ein Rückzugs- und Negierverhalten ganz ähnlich der AfD an den Tag legt. Er hat, wie so viele ach-so-harte Schwarzmetaller, in Interviews ganz üble Anfälle von „Dicke Hose“ und ist so kalt, so menschenverachtend und in seiner schalblonenhaften Selbstdarstellung so wahnsinnig uninteressant. Da ich ihn aber im Gegensatz zu Varg Vikernes oder Rob Darken nicht für politisch aktiv handelnd halte (was nicht heißt, dass ich sein gebahren und seine Gedanken teile), unterstütze ich mit meinen Zeilen eher einen Pfosten, nicht aber eine Struktur, die ich nicht fördern möchte – ich trenne also an dieser Stelle Künstler von Werk und mache nun weiter mit Taake selbst: Bei kaum einer Band ist sich die Szene so einig, wie bei Hoests seit 1995 als Soloprojekt agierendem: Die ersten drei Alben sind Klassiker, an die die folgenden vier Alben nicht heranreichten. Ja, ‚Kong vinter‘ machte 2017 wieder ein wenig mehr Spaß, aber an die ungestüme, rasende und doch nicht furchteinflößend düstere Energie, mit der der Mann noch 1999, 2002 und 2005 vorging, kam er nie wieder heran. Aber seine prägnante Gitarrenarbeit und sein unverkennbares Organ sind besonders und ich spreche sicherlich vielen aus der Seele: Ein starkes Taake Album wäre willkommen, denn wenn er in (entschuldigung) Hoestform ist, dann halte ich ihn für einen der besten Musiker in Sachen rock’n’rolligen, catchy Black Metal, direkt geradeaus und sofort in den Nacken ziehend. Vorliegendes Werk ist eine Anomalie und wurde deswegen auch genau so benannt, wenn man „Avvik“ aus dem Norwegischem übersetzt: die 42 min stellen kein vollwertiges Album dar, sondern fassen die Taake Beiträge der letzten drei Splits aus den letzten Monaten dar. Diese waren aber im Gegensatz zu den Alben der letzten Jahre deutlich mehr Taake, wie ich das Projekt mag, weswegen die Zusammenstellung in meinen Ohren die stärkste Veröffentlichung des Norwegers seit lange Zeit ist.

Mit „Ubeseiret“, „Slagmark“, „Ein baat i foss“ und insbesondere „Brotne bein og mannefall“ sind vier richtig gute Eigenkompositionen nach dem bewährten Taake Schema enthalten: Schnell treibender Einstieg, bei dem man hinaus möchte in die Wälder, bei dem man kaum still sitzen kann. Und wie gewohnt enden die Songs meist eher ruhig, sehnsüchtig und atmosphärisch. Taake arbeiten mit vielen Geräuschen und verhallten Stimmensamples, Schreie, Babyquengeln, Gurgeln und auch wenn die Formel bekannt ist und auch auf den letzten vier Alben so zu finden war: diese vier Titel haben wieder mehr Dampf unter der Haube und gerade das letztgenannte „Brotne bein og mannefall“ ist ein echtes Juwel: eineinhalb Minuten geile Raserei, gefolgt von drei Minuten in die Ferne blicken. ‚Avvik‘ beinhaltet zudem ein gutes Darkthrone Cover „Ravnajuv“ vom 96er ‚Total Death‘ Album, das ich aber auf der Compilation am wenigsten brauche und schließlich „Heartland“ ein sicherlich gemüterspaltendes Sisters of Mercy Cover (inklusive Saxophon Solo) und eine Akustikversion des Openers seines eigenen Debütalbums. Und die beiden Tracks sind für mich die deutlichsten Kaufgründe:
„Heartland“ ist für mich als großer Sisters Fan mehr als gelungen – ähnlich der Carpathian Forest Version von The Cures „A forest“ von 1998 hat Hoest die Seele des Songs beibehalten und nicht mit Macht versucht, Black Metal zu schreiben. Es ist ein ruhiger, ein rau klingender Track, schmutzig produziert und mit ausreichend eigenen Ideen gefüttert, um eine Berechtigung zu haben ohne die Schönheit, die Melancholie des Originals kaputt zu machen. Und „Nattestid ser porten vid I“ ist eine so wunderschöne Nummer geworden: Das Original war, ist und bleibt eine wundervolle Nummer, aber diese Version ist so mühevoll umkomponiert, so aufwendig und doch minimalistisch gehalten – nach einem ruhigen, natürlich an Ulver oder Empyrium erinnernden Einstieg in die Titelmelodie verwandelt sich das Stück im Mittelteil in eine treibende Bluegrass/Country Nummer, um dann langsam wieder zurück zu den Wurzeln zu finden. Bezaubernd. In meinen Ohren ist diese Anomalie in der Diskographie der Band eine auf die Anfänge zurückblickende – und damit die meiner Meinung nach beste Taake Erfahrung, die man seit ‚Hordalands doedskvad‘ haben konnte. Sie verändert nichts, sie erweitert nur (endlich) den Bestand um ein weiteres lohnendes Album bei dem einzig die Titelreihenfolge deutlich darauf hinweist, dass es sich um eine Compilation handelt.

Taake
Avvik

02.07.2021
Dark Essence Records / Karisma Records

https://taake.bandcamp.com/album/avvik

01. Ubeseiret
02. Heartland (Sisters of Mercy Cover)
03. Nattestid ser porten vid I (Acoustic)
04. Slagmark
05. Ravnajuv (Darkthrone)
06. Brotne bein og mannefall
07. Ein baat I foss