Es ist mal wieder soweit: Belgiens Serienselbstmordexperte Johan van Roy hat nach 4 Jahren sein Nest verlassen um das neue Küken zu präsentieren das er da ausgebrütet hat. Und nach dem eher flügellahmen „Bind torture kill“ muss „Implements of hell“ sich als Adler erweisen, bevor Suicide Commando auf die Abschussliste der Elektroacts mit überschrittenen Haltbarkeitsdatum gerät. Bevor wir uns aber die Höllenwerkzeuge genauer betrachten müssen wir uns im Klaren sein, dass es sich um Suicide Commando handelt: also "Hirn aus" ist absolute Pflicht um Folgeschäden zu vermeiden und die Musik „genießen“ zu können! Denn allein das Booklet erweist sich schon als potenzielle Nackenverspannungsfalle aufgrund eines Dauerkopfschüttelns: Nicht nur, dass die Gestaltung mit den lustig-blutigen Ärztebesteck die Kreativitätsschwelle von Saw Teil6 knackt. Nein, auch Johan selbst stellt sich, freundlich formuliert, leicht peinlich dar. Natürlich hat der in die Jahre gekommene Tastenhans nicht vergessen, dass die Hörerschaft vom Musiker den gleichen aggressiven Wahnsinn erwartet, den sie auch in der Musik heraushört – nur leider hat ihm niemand gesagt, dass er mit einer Ablichtung in der obligatorischen Badewanne (Stehen alle Serienmörder und Abartigen auf Badespaß mit Quietscheentchen?), Piff-Paff-Pistole und halbnackten Damen, die seine Enkelinnen sein könnten und die er mit eben erwähnter Pistole erschossen zu haben scheint weniger schockierend als schockierend dämlich wirkt. Und bei dem markanten „Ich glaube, so gucken Serienmörder, wenn sie 3,5% Promille haben“ Grinsen, dass er auf jedem Foto im Booklet, auf der Homepage und sicherlich auch den üblichen Printmedien präsentiert muss zumindest ich immer unfreiwillig Grinsen. Textlich geht es dann ähnlich klischeebehaftet weiter – aber rufen wir uns die alten Hits ins Gedächtnis („See you in Hell“ als bestes Beispiel): Suicide Commando waren noch nie große Poesie und wollten es auch nie sein. Deswegen sei nur am Rande erwähnt, dass diesmal Serienkindervergewaltiger, -verhacker und -mampfer Albert Fish Anlass gibt, um über Blut, Gewalt, Tod, „Gott ist tot“ und böse-böse zu fauchen. Sei’s drum. Nach diesem kritischen Ausflug in die Welt der fehlgeschlagenen Gestaltung stellt sich ja nun die Frage, ob man Dank der musikalischen Qualitäten über das hirnbefreite Äußere hinwegsehen kann. Und da gibt es ein ganz klares Jain zu hören! Für sich genommen ist das Album Harsh Elektro auf hohem Niveau, volle Punktzahl, fertig aus. Doch der erhobene Zeigefinger verführt zum lehrerhaften „Aber“: Ein Album von Suicide Commando muss sich dem Vergleich mit den älteren Werken und auch den derzeitigen Szeneveröffentlichungen stellen und hier zeigt sich schnell, dass „Implements of hell“ leider nur sehr gute aber gewohnte Folterkost zu bieten hat. Dem Zeitgeist entsprechen hat sich der Sound von Suicide Commando über die Jahre an die Szene angepasst und die alten Midtempo Stampfgranaten mit DEM EINEN Suicide Commando Bass sind passé – der Opener „The pleasures of sin“ ist ein straigter into-the-face-and-feets Knaller im Stile schneller Hocico oder God Module. Geht sicherlich gut ab in den Knicklichttempeln des Landes. “The dying breed“ und „God is in the rain” verweisen glasklar auf Wumpscut. Die Vorabsingle “Die motherfucker die” (bitte nicht über die Titel nachdenken…) erinnert mit den tranceartigen Elementen an Velvet Acid Christ und „Death cures all pain“ kopiert eindeutig alte Suicide Commando... moment mal... Ach ja, genau: Titel 4 ist der erste Track des Albums, bei dem man klar und ohne Booklet sagen kann, von wem es stammt. Jau, das ist Johan, da bleibt er dem alten Stil (t)Roy. Bei „Hate me“ wird leider die „so muss ein ElektroTrack für die Tanzfläche klingen“ Schablone ohne Veränderungen angewendet – schwächster Song des Albums und kann zu Recht gehasst werden. Erwähneswert ist noch das hypnotische „Severed head“ mit einer gelungenen Mischung aus Suicide Commando Sound und Samples statt Text. Suicide Commando haben für die Suche nach Höllenwerkzeugen für ein neues Album fröhlich in den Schubladen anderer bekannter Elektrogrößen gewühlt. Die selbst geschaffenen Trademarks werden nur selten hervorgekramt und erfreuen in diesem Momenten umso mehr. Positiv fällt auch auf, dass die Operation nicht auf Zeit arbeitet (und wie so viele neue Alben nur auf Dauertanzgranaten setzt) sondern viele Stücke „um der alten Zeiten willen“ etwas behäbiger aufgebaut sind. Denn so sind die Stücke des Albums musikalisch eine Sammlung gelungener Folterinstrumente die durchweg tanzbar sind und Dank der im Rahmen des Genres möglichen Variationen nicht zu schnell stumpf werden. Eine bessere Bewertung würde aber schwer fallen, denn eigentlich hat man alles schon mal gehört.