1986 erblickte die Band, deren einziges Mitglied Johan van Roy ist, dass Licht der Welt in Belgien. Anfangs noch im Dunstkreis von „The Klinik“ unterwegs, entwuchs Suicide Commando diesem Korsett recht schnell und erfrischte seinen Sound durch massenkompatiblere Songstrukturen. „See you in Hell“ war 1994 ein beachtlicher Aufhorcher und brachte auch mich der Band näher. Im Jahr 2000 erschien mit „Mindstrip“ das Masterpiece, welches nicht nur wegweisend für die Szene sein sollte, sondern dem sogar nachgesagt wird den „Hellectro“ bzw. „Aggrotech“ maßgeblich mitbegründet zu haben. Nun, darüber möchte ich nicht streiten. Unbestreitbar ist jedoch, dass „Mindstrip“ auch heute noch ein sehr gutes Album ist, welches sich hinter aktuellen Veröffentlichungen nicht verstecken muss und zur damaligen Zeit gewisser Weise neue Maßstäbe setzte.

Also dachte sich Johan zum 20jährigen Jubiläum eine frisch remasterte Version herauszubringen. Beim Durchhören der alten Bänder packte es ihn aber und er reworkte die gesamte Platte noch einmal. „Mindstrip – Redux“ sollte also 2020 das Jubiläum entsprechend feiern. Neben den erwähnten Reworks fand Johan auch die Zeit das, eigentlich geplante, Neumastering durchzuziehen. Bei diesen Sessions wird ihm wahrscheinlich auch „Dein Herz, meine Gier“ in die Griffel gefallen sein, dessen Urversion eigentlich auf der Mindstrip - Auskoppelung „Love Breeds Suicide“ von 2001 enthalten war. Der Titel wurde kurzerhand ebenfalls durch die Mangel gezogen und mit einem neuen Song („Bunkerb!tch“) als Doppel-A Single und Vorabbote des in den Startlöchern lauernden „Mindstrip – Redux“ unter die Leute geworfen. Also steigen wir in die Rezension ein, die logischerweise auch Bezug auf die Urversionen der neu bearbeiteten Titel nehmen wird. Meine Entscheidung, ist nun mal so. :-)

„Dein Herz, Meine Gier“ verschleiert zu keiner Sekunde, wes Geistes Kind es ist. Man erkennt Suicide Commando und freut sich. Der deutsche Text fügt sich, wie schon im Original sehr stimmig ins Soundgewand. Selten gelingt es einem Künstler über einen doch recht langen Zeitraum immer wieder clubtaugliche Hits herauszubringen. Ob der Song jetzt unbedingt ein Rework gebraucht hat, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich formuliere es mal so: Die Urversion von 2001 gleicht dem Killer aus „Das Schweigen der Lämmer“. Das ist wuchtig, das ist böse, das ist gefährlich. Der Rework von 2020 gleicht dem Killer aus „American Psycho“. Das ist smart, das ist elegant, aber darum nicht weniger angsteinflößend. Mir gefällt beides, ist eben stimmungsabhängig. Der zweite Song ist das Rework von „Blood in Face“. Die Originalversion vom 2000er Mindstrip-Release klingt brodelnd, bedrohlich und hinterhältig. Ein wirklich guter Song, in dem die Beklemmung spürbar wird. Der hier vorliegende First Aid Mix, welcher direkt vom „Mindstrip – Redux“ auf Besuch vorbeischaut, kann dieses Gefühl nicht erzeugen. Er ist einfach zu klar, zu aufgeräumt und kann die Atmosphäre des Original-Tracks nicht darstellen. Für sich gesehen ist der Mix jedoch ein guter Song und stellt am Besten die logische Weiterentwicklung der Songwriterfähigkeit Johans dar. Im direkten Vergleich zum Original verliert er jedoch.

Kommen wir nun zu „Bunkerb!tch“. Dies ist der erste neue Song seit 2018. Und ja, das ist Suicide Commando, wie man es erwartet und liebt. Es werden keine Gefangenen gemacht und man zielt ganz klar auf die Tanzflächen und Konzertbühnen der Welt. Der Belgier zeigt mal wieder, dass er, vollkommen zurecht einer der wenigen Electro-Headliner-Kandidaten für führende Festivals ist. Ohrenziehende Melodiefragmente fügen sich perfekt in den knallenden Beat ein. Die eigentliche Überraschung der Single stellt für mich aber „Belief“ dar. Hier nimmt der Commando-Chief uns an die Hand und führt uns musikalisch an seine Ursprünge zurück. Dies erfolgt mit einer zeitgemäßen, von ihm gewohnt gekonnt eingesetzten Instrumentierung. Das passt sehr gut zusammen. Suicide Commando kann also auch im 34. Jahr nach der Ein-Mann-Bandgründung noch überraschen. Nicht umsonst füllt Hr. van Roy mit seiner Musik weltweit die Clubs, hat einen extremen Wiedererkennungswert und eine treue Fangemeinde. Die Single ist mit 4 Tracks gut bestückt, deckt die Erwartungen und vermag sogar diese mit kleinen Spitzen zu versehen. Mit nur einem Track, der für mich den Gesamteindruck ein wenig trübt, kann ich die VÖ bedenkenlos weiterempfehlen.