Kann man eigentlich von einem "Comeback" sprechen bei einer Band, die sportliche 12 (in Worten: zwölf!) Jahre braucht, um nach dem Debüt wieder in die Gänge zu kommen und eine zweite Platte zu veröffentlichen? In diesem Fall wohl schon, irgendwie. "The Mind's Eye", veröffentlich 1994, hatte es nicht zuletzt dank des Tracks "Inside" (und dessen Erscheinung in einem fragwürdigen Werbe-Spot) vielleicht zu mehr Bekanntheit gebracht, als die damals eher schwache musikalische Leistung irgendwo zwischen Postgrunge und Indie-Rock verdient gehabt hätte. Danach ist die Truppe binnen kurzen sang- und klanglos auseinandergefallen, hat sich Sänger Ray Wilson beeindruckend erfolglos als Nachfolger von Phil Collins bei Genesis versucht und danach, ebenfalls nur mehr oder weniger erfolgreich, aber zumindest mit einer gewissen Hartnäckigkeit und Konstanz als Solo-Musiker betätigt. Und jetzt ein neues Album unter dem Band-Namen STILTSKIN - trotz der Tatsache, daß, abgesehen vom damaligen Tour-Keyboarder, von der Originalbesetzung außer Ray niemand mehr dabei ist? Eigentlich hält einen hier nur die lange Zeit seit dem Debüt von der Vermutung ab, die Verwendung des alten Band-Namens könnte ein Versuch sein, sich nach Jahren mäßigen Erfolges wieder ins Gespräch, in die Musik-Magazine, auf größere Bühnen zu bringen... ... und daß diese Vermutung nicht gar so nahe liegt, ist auch ganz gut, denn insgesamt muß man Ray Wilson eines lassen: Die Zeit seit "The Mind's Eye" ist, im besten Sinne, nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Von diesen Veränderungen lebt "She" als Album über fast die ganze Spielzeit, klingt in vielerlei Hinsicht erwachsener, reifer, professioneller, aber auch natürlicher als das Debüt. Insgesamt wurzelt das Gros von Songs wie "Fly High", "Fame" oder "Sick And Tired" in hartem Rock, den die Musiker angenehm energisch, geradlinig und (im Großen und Ganzen) frei von überflüssigem balladeskem Pathos inszenieren. Gerade bei dem Opener oder auch "Taking Time" bewegt man sich zwischen der eigenwilligen, alles zu durchdringen scheinenden Melancholie, die frappierend an späte Pink Floyd - Veröffentlichungen unter Regie von David Gilmour erinnern, dem druckvollen, "puren" Hard-Rock von Deep Purple's "Abandon" - Album und baut eingängige, straighte Songs, die doch nicht Gefahr laufen, nach dem zweiten Hören schon abgegriffen und belanglos zu wirken. Bemängeln könnte man lediglich, was bei Veröffentlichungen in dieser Richtung fast generell das Problem ist: Die Musik ist solide, wirkt ehrlich und im Rahmen ihrer Möglichkeiten überzeugend, zwar ohne antiquiert oder angestaubt zu wirken, aber auch ohne allzu originell oder interessant zu sein. Das ist im konkreten Fall zwar zu verschmerzen, prinzipiell ist es aber trotzdem schade, daß sich in dieser Stilrichtung ein Stillstand eingeschliffen zu haben scheint, dem man scheinbar nur schwer beikommen kann. Aber das nur am Rande. Dafür vermag die CD noch auf andere Weise zu punkten: Ein Blick in das (sehr stilvol und mit überraschend düsteren Bildern gestaltete) Booklet des Albums beweißt, daß Wilson nicht nur gute Songs, sondern auch lesenswerte Lyrics zu schreiben vermag, sich in ihm eigener Art und Weise auseinandersetzt mit Themen der Zeit wie Terrorismus ("Some Of All My Fears"), politischer und gesellschaftlicher Teilnahmslosigkeit ("Wake Up Your Mind") oder dem unglücklicherweise immer noch grassierenden Fieber verdummender "Superstar"- / "Popstar"- Casting-Shows ("Fame" - "just entertain me nice and easy, take my extremely dull life and free me...") und damit dem Album jenseits des gutklassigen akustischen Inhaltes noch etwas mehr Substanz gibt. Alles in allem bleibt damit festzuhalten, das "She" ein solides, durchaus hörenswertes Album mit einigen herausragenden Momenten und ansonsten weitestgehend recht hohem Niveau ist. Wer sich mit Musik irgendwo zwischen AOR, Pink Floyd, Deep Purple, Rush zu "Counterparts"-Tagen und den Ray Wilson - Solo-Alben anfreunden kann und/oder einfach nur noch ein gutes, etwas lauteres, aber nicht allzu hartes Album für den langsam voranschreitenden Sommer sucht, der darf beherzt zugreifen und sich das Teil über die Stiltskin-Website bestellen. Alle anderen können sich Anfang Oktober im Plattenladen ihres Vertrauens die Kopfhörer überstülpen und testhören - hierfür seien "Fly High", Taking Time" und "Fame" als Anspieltips genannt. Durchaus brauchbar.