Stendal Blast – die klügste Band Deutschlands, die Unruhestifter der deutschen Subkultur, die Routinebanausen der elektromusischen Branche, die Enkel Kafkas – werfen nach 2 Jahren Studioschufterei und einer gemeinsamen Single mit den Grufttitanen „Blutengel“ ihr neues Album „Schmutzige Hände“ auf den etwas verkrusteten Markt. Allerdings machen die „Schmutzige(n) Hände“ ihrem Name alle Ehre und wirbeln ordentlich Dreck und Staub auf – das tut gut. Und eines kann Euch gleich versprechen, liebe Leser: „Schmutzige Hände“ ist meiner Meinung nach die aufregendste Szene-Neuerscheinung des Jahres 2004. Dieses Überwerk wartet mit 14 frischen Liedern (darunter auch die beiden mit "Blutengel" zusammen entstandenen Titel „Mein Babylon“ und „In der Erde“ sowie mit einer 1A-"Extraarbeit"-Coverversion namens „Der Präsident ist tot“) aus der Stendal Blastischen Mache auf. Musikalisch gesehen ist das Album sehr reif, sehr detailbetont und durch und durch stimmig. Auf den Vorgängeralben wie „Morgenrot“ oder „Fette Beute“ konnte man den Jungs ab und zu noch kleine musikalische Grobheiten vorwerfen. Auf diesem Silberling allerdings haben sie alles genau richtig gemacht: sehr erwachsenes Songwriting, wunderbare Arrangements, feinsten Elektroniksound gepaart mit hochmelodiösen Gitarreneinsätzen, die hier so passend und stimmig eingesetzt werden wie bei kaum einer anderen Wave-Band. Auch die Mischung aus experimentellen Songs wie „Im Monsun“, atmosphärischen Liedchen a la „Der Kuss“ oder „My private Puff“ und gezielten Tanzflächen-Attacken wie „Die totale Disko“ stimmt. Eine runde wunderbare Sache! So, nun zum Inhaltlichen. Stendal Blast haben es seit jeher verstanden Milieustudien, kränkelnde Liebesbeziehungen, soziale und politische Probleme gekonnt in lyrischer Sprache, mit blühendem Sarkasmus und unter Aufwendung vieler Tricks, Kniffe und Feinheiten der deutschen Sprache genau auf den Punkt zu bringen. Allerdings ohne dabei irgendwie peinlich, pseudomäßig oder absolut zu sein. Diese Kunst ist auch bei den Texten zu „Schmutzige Hände“ wieder bestens gelungen. Zwar gibt's hier viel schwere gedankenfüllende Kost, die aber durch den schwarzen Humor der Texte so richtig schmackhaft gemacht wird – lecker, grandios! An der kryptischen Deutlichkeit und der dichten, punktierten, oft fast expressionistischen Lyrik des Sängers, Texters und Mädchen-für-alles Herrn Hoydas könnten sich sogar große musizierende Sprachartisten wie Reinhard Mey oder wortjonglierende Hip-Hop(s)er eine dicke Scheibe abschneiden. Stendal Blast sind erwachsen geworden und mit ihnen auch ihre Musik, wobei sie aber auch nichts an ihrer jugendlich verspielten Leichtigkeit eingebüßt haben. Sie haben verstanden wie man Humor, Kritik, Politik und Musik zusammenführt. Perfektement! Die Leute die nur die humoristische Seite bei Stendal Blast sehen haben „Schmutzige Hände“ leider nicht verstanden (wobei man auch dann immer noch ein geiles Tanzalbum mit „lustigen“ Texten hat), die anderen können lauschen und lernen. „Schmutzige Hände“ ist für mich DAS Überalbum des Jahres 2004. Bleibt nur noch eines: ab marsch zum nächsten Plattenfritzen und ein paar Euronen in Genuss investieren! Nochwas: bei den ersten 1000-Exemplaren der CD liegt eine Bonus-CD bei – ein Hörbuch mit 9 verschollenen Kolumnen von Kaaja Hoyda, die dieser einst in den, inzwischen nicht mehr existierenden Musikmagazinen „Body Styler“ und „Text und Ton“ veröffentlichte. Die 9 kleinen Episoden erzählen von Liebelei, Sex, dem Großwerden in den 70ern und 80ern, von den damit verbundenen Schwierigkeiten, von Kopforgasmen, problematischen Unteroffizieren, von Schmuddelheftchen, gekochten Eiern auf dem Weg in den Urlaub und vielem, vielem mehr. Das ganze Hörbuch steckt voller Weisheiten und wichtiger Lehren, außerdem kann frau mal hören wie man(n) so tickt. Also: schnell zuschlagen und 2 Bildungs- und Horizonterweiterungen in einem abgreifen – es lohnt sich!