Es ist schon bewundernswert: Da veröffentlicht eine Band nach längerer schöpferischer Pause ihr Comeback-Album, vertreibt dieses in Eigenregie, fertigt hingebungsvoll vier limitierte Singles mit exklusiven Remixen an – und wird schlussendlich doch noch mit einem Plattenvertrag belohnt. Auf dem russischen Newcomer-Label „Scent-Air“ erscheint dieser Tage das Re-mix-Re-Start Album „Re-Start (Re-Mixed)“ (alles klar???) in einer Auflage von 500 Einheiten und in Deutschland bei Poponaut erhältlich. Der gar nicht mehr so kleine Szeneversand hat „Spreading Point“ auf seinem aktuellen Werbeflyer, der die besten Neuerscheinungen auf Postkartengröße bei der Kundschaft bewirbt und jeder Bestellung beiliegt, direkt unterhalb des demnächst erscheinenden Mesh-Albums platziert, in Schlagdistanz zu Karl Bartos, Welle:Erdball, Faderhead, Leaether Strip und Spetsnaz. Doch während man mit letztgenannten Brüll-Elektronikern wenig gemein hat, dürfen sich Olaf Himmelmann und Sandro Ringeling angesichts der DIN A 6-Freundschaft mit Mesh durchaus geschmeichelt fühlen. Doch Promotion ist völlig sinnlos, wenn der Inhalt nicht stimmt. Das gesamte Paket, bestehend aus einem Instrumental und 14 Mixen - von denen 5 auf das Konto der Band selbst gehen - wird eingerahmt von den beiden besten Beiträgen der CD. Peter Rainman eröffnet das Remix-Feuerwerk mit dem ultimativen Gute-Laune-Track für alle Lebenslagen. Harmonische Akkordfolgen, eine mitreißende Lead-Melodie im Refrain und pulsierende Drums, die es in Kombination mit passend einsetzenden Vocodereffekten schaffen, aus „Turning Point“ den perfekten Popsong zu zaubern. „Space Age Romance“ beginnt dagegen zunächst etwas getragener, passend zum lyrisch festgehaltenen Beginn der Liebesgeschichte: „We first met in an online chat...“ Und nachdem sich die traute Zweisamkeit gefestigt hat („I feel secure, every day and night...“) geht auch im Synthiepark von People Theatre wieder die Sonne auf. Aber auch der beste Remixer hat mal schwächere Tage, was der nicht berücksichtigte, weil recht blasse Italo-Disco Mix von „Emotional Ice Age“ beweist. In dieser Hinsicht haben Olaf und Sandro die richtige Entscheidung getroffen, denn die drei anderen Beiträge von Peter (neben den erwähnten endgeilen Mixen ist auch noch „Verloren“ qualitativ hochwertig bearbeitet worden) sind definitiv eine Güteklasse höher anzusiedeln. Insgesamt wirkt die Anordnung der Tracks sehr durchdacht. Der von mir in der Rezension zum Bezugsalbum „Re-Start“ vorgebrachten und von der Band alles andere als geteilten Kritik der fehlenden Abwechslung, wird hier nicht den Hauch einer Chance zur Entfaltung gelassen – zu unterschiedlich sind die Interpretationen des Ausgangsmaterials. Die Schwedter Synthpopper von „F.P.“ unterlegten den besten Re-Start-Song „Emotional Ice Age“ mit einer leicht asynchron anmutenden Rhythmik, was nach kurzzeitiger Verwirrung für Bewunderung sorgt. Weniger begeistern kann dagegen das Geblubber, mit dem „Lustobjekt“ die emotionale Eiszeit versahen. Dass sie es besser können beweist die Band mit ihrem unterkühlten Remix von „Space Age Romance“, der dank seiner Drum-Programmierung und ausdrucksstark-lasziven Gesangspassagen zu einem weiteren Highlight der CD avanciert. Hervorzuheben sind weiterhin die beiden Mixe von „Zeit der Unbefangenheit“. „Supercraft“ schaffen dabei das Kunststück, das Lied zu einem tanzbaren Future-Pop Knaller zu verarbeiten, ohne jedoch in gleicher Weise einen überladenen Soundbrei, wie es bei klassischen Vertretern dieses Genres leider häufig üblich ist, zu fabrizieren. Melodie und Gesang bleiben präsent, Halleffekte auf Drums und Backgroundgesang sorgen für Tiefe und einen „fetteren“ Bass. „Dark Phenomenon“, die talentierteste Neuentdeckung des letzten Jahres, zeigen insbesondere im instrumentalen Intro, dass man problemlos ältere, industrielle Depeche Mode-Sounds verarbeiten kann und dennoch nicht im geringsten Maße peinlich wirkt. Deren Remix-Album „Favour“ können sich alle Leser dieser Rezension im Übrigen bedenkenlos gleich mitbestellen. Und „bestellen“ ist das Stichwort – schließlich gibt es nicht oft Mesh und Spreading Point gemeinsam auf einer einzigen Postkarte zu bestaunen.