Ein neues Sternchen am Synthie-Pop-Himmel? Nein, denn Sound Tesselated sind seit mehr als zwölf Jahren im Geschäft und halten mit "Ghostwriter" seit diesem Sommer ihren vierten Longplayer in den Händen. Unverkennbar ist der musikalische Einfluss, der die Berliner Ricardo E. Beck und Norman Haase in ihrem künstlerischen Schaffen prägt. Beider Herzen schlagen ganz offensichtlich für den romantischen, melancholischen, bisweilen auch gern als "weichgespült" bezeichneten Synthie-Pop im Stile von Größen wie Erasure, The Sparks oder Camouflage. Zentrales Thema der bisherigen Tonträger und natürlich auch von "Ghostwriter": Liebe, Liebe und nochmals Liebe – und den damit unvermeidlich einhergehenden "Begleiterscheinungen" Enttäuschung, Trauer, Hoffnung. Noch etwas anderes? Nein, irgendwie nicht. – Wirklich nicht? Nein. – Schade. Und so verwundert es auch nicht, dass beim Durchhören und Nachdenken ein diffuses Gefühl aufkommt. Die emotionale, „herzgesteuerte“ menschliche Facette wird sich an den wohlig weichen, sanften Pop-Perlen laben und nicht enden wollenden Träumen hingeben, in den zucker- bis bittersüßen, überschwänglichen Melodien schwelgen und mit jeder Faser des Körpers mitfühlen. Vielleicht wird sich dabei auch die ein oder andere Träne lockern und schwere Herz erleichtern. Elf Titel lang, ohne stilistische und thematische Ausreißer. "Ghostwriter" liefert einfach den perfekten Soundtrack für das mit Hingabe praktizierte Versinken im Selbstmitleid, um danach erstarkt wieder aus sich herauszuwachsen. Bei Bedarf kann dabei noch ein wenig getanzt werden, doch Stimmungskanonen sind die Songs allesamt nicht. Ein Blick ins mit allen Songtexten gefüllte Booklet genügt für diese Erkenntnis. Spätestens hier beginnt sich die rationale, verstandgeleitete menschliche Seite zu melden. Nein, nach einer Stimmungskanone auf CD verlangt sie nicht, ganz und gar nicht. Denn das braucht nun wirklich niemand zwingend. Aber vielleicht ein wenig mehr Abwechslung. Streng und genau genommen plätschert "Ghostwriter" trotz der z.T. wirklich exzellent komponierten Melodien belanglos und bar jeglicher Spannung vor sich hin. Keine Ecke, keine Kante, alles ist perfekt glatt poliert. Fast möchte man an der ein oder anderen Stelle "Hach, wie kitschig!" ausrufen, lässt es aber dann, denn jeder einzelne Song ist auf seine Weise fesselnd und schön, mit seinen elegischen Piano- und Streicherparts und Ricardo Becks überzeugendem, schmeichelndem Gesang. Aber elf solcher Titel am Stück ist dann manchmal doch etwas zu viel für das Gemüt. Dem hält das Verstandmodul dann aber umgehend wieder entgegen, dass es nicht nur bemerkens-, sondern auch lobenswert ist, wenn eine Band so sehr zu ihrem Sound und Stil steht und sich nicht verbiegen lässt oder Trends anbiedert, wie eben Sound Tesselated. Denn hört man sich durch ihre Diskografie, wird man ausschließlich emotionsgeladenen Synthie-Pop finden, nur, je weiter man zurückgeht, mit ein paar Ecken, Kanten und Soundspielereien, die richtig erfrischend sind. Auch die Stimme von Ricardo E. Beck versprühte auf den früheren Tonträgern mehr Energie und Variation – der "durch-und-durch-soft-Modus" war zu jener Zeit offenbar noch nicht eingeschaltet. Es gehört sich ja nun eigentlich nicht, aber spätestens an dieser Stelle muss einfach auf die herausragende Qualität des Debütalbums "Overnight" verwiesen werden, das hier zwar nicht zur Diskussion steht, aber einem undefinierbaren Gefühl nach einer geneigten Hörerschaft mehr zu gefallen wissen könnte, als "Ghostwriter". Sogar Erinnerungen an frühe Depeche Mode und tolle 80er Disconächte werden beim Hören von "Overnight" wach – dieses Album hat es wirklich in sich! Dank der professionell und geschmackvoll aufgemachten Bandhomepage mit vielen Features lässt es sich zur leichteren Entscheidungsfindung in alle Songs hineinhören, und zwar so lange, dass man sich auch wirklich ein Urteil bilden kann. Ein Urteil soll jetzt auch endlich für das Album "Ghostwriter" gefällt werden, denn hierfür wurde die Rezension ja schließlich verfasst. Verstand und Herz zanken und rangeln noch ein wenig miteinander und einigen sich schließlich auf ein Plätzchen nahe der goldenen Mitte, mit der Tendenz nach oben.