Ich hab mich entschlossen einige Alben zu rezensieren, die mich auf die ein oder andere Art bewegt haben. Den Anfang macht Sopor Aeternus and the Ensemble of Shadows "Island of the Dead". Sopor Aeternus ist eigentlich Anna Varney Cantodea und das "Ensemble of Shadows" existiert in ihrem Kopf und nährt ihre Inspiration. Auf die ein oder andere Art ist bestimmt bereits jeder mit der eigenwilligen Künstlerin in Berührung gekommen. Denn das Projekt ist bereits seit dem Beginn der 90er Jahre sehr umtriebig. Dabei verzichtet Anna auf Live-Performances und lässt lediglich die haptischen Veröffentlichungen für sich sprechen. Und diese haben es in sich. So kommen doch jeweils liebevoll und aufwendig gestaltete Sondereditionen auf den Markt. Von "Island of the Dead" sicherte ich mir sogleich die fette Vinyl-Box, welche seit dem Eintreffen lediglich einmal angetastet und bewundert wurde und hernach das Regal an präsenter Stelle ziert.

Doch kommen wir zum eigentlich Wichtigen, der Musik. "Island of the Dead" ist eines der wenigen Alben, welche ich tatsächlich vom ersten bis zum letzten Titel durchhören kann, ohne, dass mir auch ein einziges Lied missfällt. Wirkte in den vergangenen Jahrzehnten das Schaffen von Sopor Aeternus ab und zu recht kantig und sperrig, so würde ich die VÖ auch laufenlassen, wenn meine Schwiegermutter zu Besuch weilt und, sie würde sich nicht aufregen. Zumindest, solange ich ihr kein Bild von der "gruseligen Frau " zeige. Wenn ich zynischer, alter Sack das ansonsten meistens als Minderwertigkeitsmerkmal anführen würde, so kann man hier genau das Gegenteil in der Bemerkung sehen. Anna schafft es auf wunderbare Weise innerhalb traumhafter Melodien und Arrangements ihre Texte zu verweben. Thema des Albums ist eine unerfüllte Liebe und die Trennung von einem Menschen, die man nicht so einfach verarbeiten kann. Wirklich jede einzelne Emotion, wie Liebe, Verständnis, Wut, Angst, Hass bekommen eine adäquate Umsetzung. Absolut herausragend ist "Saturn Rising". Seltenst fühlte ich mich einem Künstler während eines Titels emotional so nah. Musikalisch ist das zwar sehr gefällig, aber aufgrund der perfekt inszenierten Instrumente, die man sonst nicht derartig eingesetzt zu hören bekommt, wie etwa Spinett, Streicher, Hörner, um nur einige zu nennen, niemals oberflächlich. Emotionen werden wundervoll unterstrichen und auf schneidend bissige Weise fast ins Banale verklärt. Sopor Aeternus & the Ensemble of Shadows hat mit "Island of the Dead" für mich einen weiteren Meilenstein ihres Schaffens gesetzt. Beschreiben kann man Anna Varney Cantodea kaum, man muss sie als Gesamtkunstwerk erkennen. Wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen bekommt man Zugang zu einer der wirklich wenigen tatsächlich Kunstschaffenden der Szene. Entdecken und erleben kann man Sopor Aeternus & the Ensemble of Shadows auf Bandcamp.

Anspieltipps: Minotaur, Mourning, Saturn Rising