Es sind schon eigenwillige Zeiten, das Jahr ist noch jung und die meisten sitzen nun recht oft daheim (wenn es der Job und die Vernunft zulassen) und harren der Dinge, die da kommen mögen. Ich wünsche uns allen, dass wir heil durch diese Zeit kommen.

2020 ist also ziemlich miserabel gestartet, wenn es um Gesundheit, Politik und Wirtschaft geht, aber es ist nicht das schlechteste Jahr, wenn es um meine Beziehung zu Sopor Aeternus & the ensemble shadows geht. Und ich muss sagen, darüber bin ich ziemlich froh dann an die letzten beiden Alben denke ich mit Bauchschmerzen. Das inhaltlich magere 'The Spiral Sacrifice' fühlte sich wie eine leere Hülle an, eine Erinnerung alter Glanztaten, die an keiner Stelle Erwartungen und Ergebnisse auf einen Nenner bringen konnte. 'Death and Flamingos' waren dann fast der Todesstoss für meine Liebe zum Projekt: Es war einfach ganz großer Mist. Und beide Veröffentlichungen litten durch die inhaltlichen Schwächen umso mehr unter dem unfassbaren Preis, der veranschlagt wurde für Editionen, die weit entfernt sind von den liebevollen Zauberkisten, die früher herausgebracht wurden.

'Island of the dead' spricht mich als Fan trashiger Horrorfilme sofort an: Das Artwork könnte auch auf einem unentdeckten Juwel aus Italien prangen, Fulci, D'Amato oder Argento lassen grüßen. Die Box selbst ist leider etwas dünn und enthält nicht viel mehr als ein Echtheitssiegel und die eigentliche CD-Box. Diese lässt mich aber ehrlich frohlocken in ihrer herrlichen Schäbigkeit. Seit Jahren lag sie im Keller eines Verleihers, hat schon hunderte Kunden erlebt und wurde nie gut behandelt. Wachstropfen, eine leicht schmierige Haptik und vom Besitzer notdürftig mit Tesa geflickte Problemstellen: Ausgesprochen überzeugend und passend zum Titel. Daumen hoch. Das Design des Booklets ist eher ungewöhnlich für Sopor Aeternus, da es keine Bilder von Anna-Varney enthält. Diese finden sich nur auf den beigelegten Fotos. Dazu noch ein netter Anhänger. Alles in allem habe ich endlich wieder das Gefühl, etwas Lohnendes für mein Geld erhalten zu haben.

Musikalisch fühle ich auch wieder Aufwind, vergleichbar mit der Phase zwischen 'La chambre d'echo' und 'Have you seen this ghost', eher poppig, beschwingt und mit all den Trademarks, die ich an Anna-Varney so sehr schätze. Und wieder finden sich E-Gitarren im Sound, anders als bei 'Death and Flamingos' sind sie aber homogen in den Sound eingearbeitet und begleiten auch deutlich bessere Lieder. Denn 'Island of the dead' bietet keine schlechten Lieder, sondern mehrheitlich Songs aus dem qualitativ oberen Mittelfeld und mit "Poison", "Death house" oder "Burial ground" auch Nummern, die aufhorchen lassen und die ich auch nach Albumende noch erinnern und nachsummen kann. Zwar fehlt mir im Reigen eine magische, ruhige Nummer wie "Beautiful" oder "Eldorado", alles ist in ähnlichem Tempo gehalten, aber 'Island of the dead' macht in seiner Gesamtheit viel Spaß.

Es ist sicherlich kein Album, dass an meine persönlichen Höhepunkte in der musikalischen Karriere von Anna Varney Cantonea anschließt, nach zwei ausgesprochen enttäuschenden Veröffentlichungen, deren Lustlosigkeit und Lieblosigkeit in Sachen Musik UND Verpackung meine Bewunderung für die Frankfurter Künstlerin auf eine harte Probe stellte, kann ich nun aber wieder friedlich schlafen, wenn ich an meine Kaufentscheidung denke. Ja, der 'Island of the dead' lohnt und ja, ich kann nun wieder an das Projekt denken, ohne in "Früher war alles besser" Tiraden zu verfallen. Danke dafür!

 

Sopor Aeternus & The Ensemble Of Shadows

Island Of The Dead

 

29.02.2020

apocalyptic vision

 

https://soporaeternus.bandcamp.com/album/island-of-the-dead-2020

 

01. Minotaur
02. Poison
03. Black Magic Spell
04. Death House
05. Mourning
06. The Void
07. Saturn Rising
08. Burial Ground
09. Nightbreed
10. Cold
11. Goodbye