Sleepwalk wiederlegen ein Vorurteil, dass man vielen Schweizern zur Last legt, nämlich dass sie äußerst langsame und beschauliche Zeitgenossen sind. Die Hart-Elektroniker geben auf diesem auf 1000 Stück limitierten Album einen Überblick über ihre ersten Gehversuche, die alles andere als geruhsam waren. Die früheren Veröffentlichungen von Bruno Ruch und Oliver Spring erschienen noch bei Khazad-Dum-Records, was für Eingeweihte schon allein ein Zeichen für gestandenen Elektro sein dürfte. "Retrospect 94-96 (the early years)" umfasst einen Zeitraum, in dem andere damalige Größen des Genres wie Placebo Effect oder yelworC von der Bildfläche verschwanden. Die Erwähnung der beiden letzteren, mittlerweile zum Kultstatus erhobenen Bands kommt nicht von ungefähr. Nicht nur die Lableverwandschaft auch die Musik dieser Bands weist einige Parallelen zu den Frühwerken von Sleepwalk auf. Wie in den 90ern üblich, waren fette Beats noch nicht unbedingt angesagt, aber dafür heiserer Schreigesang ein absolutes Muss. Was zum Beispiel Hocico heute hervorbringen, haben Sleepwalk in ähnlicher Form schon Jahre vorher auf die Beine gestellt. Bedenkt man, dass zu dieser Zeit die technischen Möglichkeiten bei weitem noch nicht so ausgereift waren, wie sie es heute sind, könnte man manchmal schon ins Staunen geraten, wie Bands wie Sleepwalk so deftige Sounds produzieren konnten. "Retrospect 94-96" gibt nicht nur eine umfassende Übersicht über die frühe Schaffensperiode der beiden Berner, sondern zeigt auf beeindruckende Art auch den schnellen Wandel der Musik auf. Obwohl gerade mal 6 bis 8 Jahre vergangen sind, klingen viele Songs wie aus der Elektro/Industrial-Urzeit und lassen einer gewisse Nostalgie nicht entbehren. Wer also den guten alten Zeiten hinterher hängt, der findet auf "Retrospect 94-96" vierzehn Beweise dafür, dass seine Sehnsucht nach den alten Zeiten gar nicht so unbegründet ist. Für Sleepwalk-Fans steht der Gang zum Plattenladen wohl außer Frage.