ROT – Farbe der Liebe, der Teufelei zugleich. ROT – Zeichen für Wärme aber auch Aggression. ROT –Zorn, Sozialismus, Blut, Feuer… ROT ist nicht nur eine Farbe. ROT ist Symbol für Empfindungen, Gesinnungen, religiöse Bildersprache und ROT ist Albumtitel und Titelthema der neuen [:SITD:] Platte. ROT in all seinen Facetten: auffallend im Coverartwork, aufrüttelnd in Songtexten, butterweich im Heimatbekenntnis oder religiöse Reflektion. Das Ruhrpott-Trio wählte einen Titel der profan klingt, der doch konzeptionell weit in die Tiefe geht, wie man es von der Band mittlerweile gewohnt ist. Sehr persönlich, emotional und geradeaus.

ROT hat schließlich ein Ziel: Aufrütteln soll es, dabei nicht nur anklagen sondern Entschlossenheit symbolisieren. Entschlossenheit bedeutet hier gleichermaßen mehr Druck, durchschlagende Musik und ein kräftiger Dreh am bpm-Regler. Die Läuterung musikalisch vertont als „Catharsis (heal me, control me)“ ist hier Wegweiser. Hier noch in einem solidem [:SITD:]-Gewand mit einem dumpfen, teils schwerfälligem Grundrhythmus, der vielschichtig von Flächen, markanten Synthiesequenzen und einer einprägsamen Gesangsmelodie umhüllt wird, ebnet sich der Weg zu einer deftigen Bassline , die den Titelsong „ROT“ dominiert. Deutlich technoider sind die Flächen und der Beat schreit förmlich nach einer Tanzfläche. Das dürfte auch unserer Knicklichtschwingenden Junggeneration gefallen. Bleibt nur zu hoffen, dass der Blick auf das Konzept auch gewagt wird. Im Geschwindigkeitsrausch muss ich das um Vergebung bittende, gemächliche „Stigmata of Jesus“ kurz übergehen (verzeiht es mir) und mich gleich dem Highlight der Platte zuwenden: „Zodiac“. Eine geniale Nummer über den geltungssüchtigen, amerikanischen Serienkiller. Eine gehetzte Grundstimmung mit wirren aber gleichzeitig absolut eingängigen Soundspielereien, die im Ganzen einen Soundtrack für die Verfilmung hergegeben hätten.

Die beiden folgenden Songs sind ganz Aufgabe Toms. Während er dem Instrumental „Pride“ das Klangkleid gestrickt hat, leiht er „Redemption“ zusätzlich noch seine Stimme. Wie üblich handelt es sich dabei um ein ruhigeres Stück, dem er durch seine Stimme zusätzlich die wehmütige Stimmung aufdrückt. Ein schöner Song, der sich wunderbar in die Reihe der von Tom gesungenen Titel einreiht. „Frontal“ startet dann den Frontalangriff auf den deutschen Überwachungsstaat. Neben den Beats haut hier auch der Text drauf. Dass die Band den gläsernen Bürger fürchtet, ist nicht nur jeder einzelnen Zeile sondern auch dem Tonfall zu entnehmen. Dadurch geht die klare Aussage nicht hinten den stumpfen und einförmig gehaltenen Beats, mit leichter EBM-Attitüde, verloren. Das Gespenst bekommt hier einen klaren Namen. Bei „Pharmakon“ hält man mit Kritik nicht minder hinter dem Berg. In Zeiten von Impfaufrufen und täglichen „Schreckensberichten“ zur Schweinegrippe könnte der Titel kaum tagesaktueller sein. Tanzbare Beats mit Köpfchen. Das hat gleich doppelten Wert und ist glücklicherweise auf ROT kein Einzelfall. Auch das folgende „MK Ultra“ hat außer wummernden Beats Tiefgründigkeit zu bieten. Das geheime Forschungsprogramm der CIA sollte mit sehr unkonventionellen Methoden die Bewusstseinsveränderung und vor allem Manipulation von Menschen durch unfreiwilligen Drogenkonsum testen. Bleibt zu hoffen, dass die Texte problemlos in das Bewusstsein der Hörer vordringen. Bei der Musik dürfte es zumindest ein leichtes sein.

Am Ende gibt es noch eine Liebeserklärung an die rußige Heimat. In emotionaler Synthese aus Toms Stimme und tragenden, warmen Flächen. Ein gelungenes Ende für ein solides musikalisches Stück Arbeit, dass mit einem kreativen und tiefsinnigen Konzept überzeugt. ROT erinnert in seiner Durchschlagskraft wieder an die ganz „alten Zeiten“ von „Snuff Machinery“ und dürfte nicht nur dem eingefleischten [:SITD:]-Fan gefallen.