Es ist Nacht, tiefe Dunkelheit und Schwere liegen über dem Land, die Stadt Krefeld ruht und die Menschen schlafen. Doch halt, nicht alles schläft an diesem beschaulichen Ort, der sich dem Hörer im Kopf zeigt : Einer der entfernten Nachkommen vom Phantom der Oper ist noch wach, wach und ruhelos. Vor sich hat er ein Casio-Keyboard, denn in der Gegenwart ist jegliche Orginalität und Romantik alter Instrumente flöten gegangen und nichts geht über den künstlich erzeugten Klang einer gefadeten Orgel und den ominös lächerlichen Chorälen, die so ein Dudelding aus dem Fernen Osten bietet. So zumindest dachte es sich Herr Esser, seines Zeichens eben erwähnter Nachkomme im Geiste (nicht im Talente) und gähnialer Kopf von „Silbernacht“. Soundtrackartigen Dark Ambient will uns der gute Mann auf seinem ersten richtigen Album bieten, leider hatte er nichts aus seinen drei vorangegangenen Demos gelernt, mit denen er bereits viele Tape-Decks und CD-Abspieler lahm gelegt und Rezensenten eingeschläfert hatte sondern bleibt seinem Konzept der Konzeptlosigkeit treu. Glückwunsch – es verdient zumindest Anerkennung, nur keine gute Benotung. Das Digipack, streng limitiert und auf direktem Wege von Krefeld über ein amerikanisches Label in Jacksonville herausgebracht, vermittelt den Eindruck eines bastelfreudigen Kartoffelstempelfans, das zumindest berechtigt zur Vergabe des halben Punktes, denn schön wurde da gewerkelt. Tja, nun halte ich es also in den Händen, „Liebe und Verfall – die Hoffnung stirbt, die Liebe nicht“ (oder auch „Gähnen und Tiefschlaf – die Hoffnung endet, die Lieder nicht“) und werde noch einmal versuchen zu ertragen was sich da aus den Boxen quält. Technisch sind es vier Stücke, die Herr Esser in einer lauen Silbernacht geschaffen hatte (wobei ich mir sicher bin, daß die Aufnahmen nicht länger gedauert haben wie die gesammte Spielzeit, also 33 Minuten). Doch schon beim ersten Stück, von Esser keck „Erwachen“ betitelt, schlafen mir die Füße ein – völlig ohne Konzept, Melodie und Struktur, eine endlose Jamsession des Phantoms, egal wie man skippt, alles klingt gleich, nichts bleibt im Kopf hängen. Wirkliches Talent lässt sich dem Mann nur schwer unterstellen; gut, er trifft die Tasten, aber das kann doch nicht für einen Plattenvertrag reichen, oder ? Es klingt wirklich wie spontanes Zusammengeklimper wahlloser Nicht-Melodien. Auf jegliche Form von Songwriting wurde bei „Triebe im Weltall“ gnadenlos zugunsten pathetischer Andacht verzichtet, der Orgelspieler im Crack-Wahn spielt uns noch ein Stück, und noch eins, und noch eins.... Mensch, der will ja gar nicht mehr aufhören. Bemerkenswert finde ich, daß wirklich über die gesamte lange.... laaaaaaaaange Spielzeit hinweg nicht einmal die Instrumente an der Casio-Megastation geändert werden : die oben genannte Orgel, etwas gefadet und die grausig künstlichen Keyboardchöre – das wars. Kein Schlag, kein Piano, keine Triangel oder mal ein lustiges Akkordeon. Selbst das Blockflötenkonzert der kleinen Cousine Denise ist spannender und peppiger als „Hiebe voller Knall“. Vielleicht ist auch des Meisters Keyboard kaputt und nur noch die beiden Instrumente funktionabel (wenn auch nicht gut) – dann rate ich aber nicht zum Kauf eines neuen Instrumentes sondern zur Aufgabe des Musizierens. Ich werde die CD noch sehr oft anhören und dann zu „Wetten daß..?“ gehen und behaupten, ich könnte die vier Titel ohne Hülle und Titelangabe auseinanderhalten – das glaubt mir nie jemand, daß das zu schaffen ist (und ich würde wahrscheinlich an der Aufagabe scheitern). Einzig die Spielzeit unterscheidet die einzelnen Stücke – und eben die Titel. Und so endet die halbe Stunde Rohstoffverschwendung mit „Wenn der Tod nur Sehnsucht weckt“... wobei der Titel eher die Sehnsucht nach dem Tode weckt. Ich geh erstmal schlafen und verweise zu guter Letzt auf die Internetpräsenz und die mutge Ehrlichkeit, sich mit schlechten Reviews zu rühmen – das macht nicht jeder. In jedem Fall rate ich aber von allem weiteren ab, was mit Silbernacht zu tun hat.