Sharon Next gehören sicherlich in der österreichischen Düster-Szene zum Stamminventar mit einer beeindruckenden Historie als Vorband von z.B. VNV Nation, Diary of dreams, The Crüxshadows, Blutengel und Anne Clark. Damit ist ihr Sound auch recht gut beschrieben: Synthie Pop, Darkwave, nicht zu düster und mit deutschen und englischen Texten. Sharon Next, das sind ursprünglich Michael Ruin und Helmut Prix – doch inzwischen ist die Wiener Formation zum Quartett gewachsen und durch die Hinzufügung eines festen Gitarristen und Drummers hat sich ihr Sound gewaltig verändert. Und so nahm man im letzten Jahr einen Besuch in Berlin und die Chance, in den berühmten Berlin Hansa Studios einzukehren, zum Anlaß, um vorliegendes Album einzuspielen. Eine echtes Juwel, denn 'Hansa, here we come' ist kein neues Album sondern eine Sammlung ausgewählter Stücke aus ihrer Diskographie mit dem neuen Line-Up und edler Abmischung, die den Stücken "neues Leben einhauchen soll". Sind die 44 Minuten Rückschau also eine Leckerbissen für Kenner der Band und der perfekte Einstieg für alle, die das Projekt wie ich, trotz 25 Jahren Bestehens, bisher nicht auf dem Radar hatten?

Nachdem ich die Band ja erst mit dem Arenberg Sampler kennenlernte, muss ich sagen, dass der erste Durchlauf eine wirklich positive Überraschung war: nein, die beiden Stücke auf dem gelungenen Label-Sampler waren nicht schlecht, in meinen Ohren waren sie aber nur okay. Mit "Gravity" findet sich auch einer dieser Tracks auf 'Hansa, here we come' wieder und ich halte ihn für den schwächsten Song der Sammlung. Das Gesamthörerlebnis ist durchweg erfreulich mit Tendenz zur Begeisterung: Der Einstieg "In my sphere", "Fairytale romance", "Your embrace", "First man" und "Der Hase" zum Abschluss sind Stücke, die mir ausgesprochen gut gefallen – da ich mich selbst nicht wirklich als Fan dieses Genres bezeichnen würde, soll das Lob doppelt wiegen. Oft dämmere ich bei mehr als zwei Songs dieser Spielart langsam weg und kann sie kaum unterscheiden, hier habe ich bei jedem Song Lust auf den nächsten und kann inzwischen auch schon die Refrains trällern, bevor der Track beginnt. Sound und Instrumentalisierung sind klassisch, versprühen auch eher den Charme der 90er und der Klang ist warm abgemischt. Da ich selbst der Originalstücke nicht gewahr bin, kann ich keinen Vergleich ziehen, jedoch sind Drumming und Gitarren wertvoll im Klang. Die Vocals, die in meinen Ohren den einzigen Schwachpunkt im Sound von Sharon Next darstellen, sind absolut aber eben nur solide: über sie zu meckern ist Jammern auf hohem Niveau, aber in einem Genre, in denen es vor gefälligen Sounds und Melodien nur so wimmelt, ist ein "besonderes" Organ oft Dreh und Angelpunkt für den großen Erfolg. Textlich bin ich wenig bewegt vom Gelieferten, kann aber gut weghören, insbesondere wenn man Englisch singt.

Ganz ehrlich: das ist ein tolles Album und wer die Band noch nicht kennt und nicht nur nach den großen Namen in den (Print)Medien sucht, der sollte unbedingt reinschnuppern! Man hört hier Spielfreude, Liebe zur Musik und irgendwie auch den Stolz der Gruppe heraus, in den Hansa Studios ihre Hits zu zocken. Ob Besitzern der bisherigen Alben genügend Neues geboten wird, muss wohl jeder derjenigen für sich entscheiden, ich aber bin und bleibe begeistert.

 

Sharon Next

Hansa, here we come

 

13.03.2020

Arenberg Records

 

https://open.spotify.com/playlist/72ap9orN88H1E0W0158OVN

 

01. In my sphere

02. Feuerzeichen

03. Fairytale romance

04. Sweet and tender lovely toy

05. Realität

06. Your embrace

07. Trying to stop

08. First man

09. Holy head

10. Der Hase