Manchmal weiß man gar nicht, dass man was vermisst hat... Völlig unbefangen und zugegebenermaßen unbedarft füttere ich meinen CD-Player mit der neuen Scheibe, die rezensiert werden möchte. Ich überfliege den Infotext, der mit der Überschrift „Dunkler TripHop aus dem Plattenbau“ lockt und drücke „play“. Die halbe Stunde die dann folgt, katapultiert mich ohne Vorwarnung ein Jahrzehnt zurück und beschwört die (meinige) „gute alte Zeit“. Damals, damit meine ich 1995, kam grad die Maxinquaye von Tricky heraus und Massive Attack waren eine musikalische Institution – und an diesen Vorbildern kann man Sestatee auch messen. Für mein Kopfkino verantwortlich zeichnet sich Sebastian Swigon. Dieser hat bereits mit verschiedenen anderen Projekten unzählige Singles, LPs und EPs herausgebracht. Er schreibt Musik und macht Musik u.a. für die Werbeindustrie, Compilations oder für Kurzfilme inklusive Awardpreise. Mit Sestatee wird er wohl dem gerecht, was er selbst auf seiner Internetseite folgendermaßen beschreibt: „Als Talisman gilt Sehnsucht und immer der Wunsch nach einem ewigen Traum.“ Besser kann man die Songs der „Bohomasys“ fast nicht beschreiben. Ich versuche es trotzdem. Es mischen sich auf filigrane Weise dunkler TripHop und Dark Ambient. Im Gegensatz zu den meist recht freundlichen „Bar Lounge Classics“ oder vergleichbaren „Chill-Dich“ – Compilations transportiert Sestatee eine melancholisch-nachdenkliche Grundstimmung. Insgesamt sind die Stücke ruhig und langsam, brechen jedoch meist zum Ende hin noch einmal auf und lassen den Hörer irgendwo zwischen Hoffnungslosigkeit und Erlösung zurück. Besonders angetan haben es mir die Kombination und Verwebung der verschiedenen Elemente. Es finden sich jazzig angehauchte Klavierpassagen, der Einsatz von Streichern, die sich mit dem Synthiesound kurz vereinen um vom nächsten Break-Beat abgelöst zu werden. Hinzu kommt der weibliche Vocal, der klar und kraftvoll kurze Passagen singt, spricht, aber den Klang und die Wirkung der Musik nur unterstützt, nie dominiert. Einfach wunderschön und viel zu kurz – knapp 30 Minuten. Wer jetzt auch der Ansicht ist, nichts vermisst zu haben, aber trotzdem auf der Suche ist, dem empfehle ich eine Hörprobe: Auf der Sestatee-Internetseite findet sich exklusiv zum Download der Song „Bohomasys“, der nicht auf der gleichnamigen EP zu finden ist. Weitere Hörbeispiele finden sich bei NovaTune, dort ist die CD u.a. auch zu bestellen. NovaTune sind eine On-Demand-Produktion (gepresst wird nur, wenn’s jemand bestellt), und so ist die EP für günstige 7 € erhältlich.