Immer wieder überraschen Künstler aus der überschaubaren Neofolk-Szene mit außergewöhnlichen Kollaborationen und daraus resultierenden bemerkenswerten Tonträgern. So auch das jüngst erschienene Album "Gods and Devils" der Formation Seelenlicht, bestehend aus dem britischen, höchst umstrittenen politischen Aktivisten Troy Southgate (H.E.R.R.), dem Musiker und Fotografen Butow Maler (Kammer Sieben), Herr Twiggs (Kammer Sieben) sowie den Gastmusikern Maria Southgate, die Tochter Troy Southgates und Eustacia Vye (Horologium). Angesichts der Vielseitigkeit, aber leider im Falle Southgates großer Bedenklichkeit der beteiligten Künstler ist es nicht verwunderlich, dass in der Zusammenarbeit ein außergewöhnliches Album entstanden ist, welches (wie zu erwarten) jedoch mal mehr, mal weniger offensichtlich angestaubte und fragwürdige Ideologien unter dem Deckmantel von Mythen und Sagen sowie antimaterialistischer Konsum- und Gesellschafts- sowie Sozialkritik zu verbreiten sucht. "Gods and Devils" ist ein extrem textlastiges Album, für das tief in der alten englischen Literatur sowie in der Mythologie gegraben wurde. Trotz der durchweg zu gefallen wissenden Instrumentierung - die von zarten, sphärischen Klängen über treibende Military Sounds und Percussions bis hin zu orchestralem Bombast reicht, fragt man sich, welchem Element hier mehr Bedeutung beigemessen wird, der musikalischen Kunst, oder der schieren Wortgewalt, mit der Troy Southgate, aus dessen Feder vornehmlich die Texte stammen, hier zu Werke gegangen ist. Vorab sei gesagt: Eine Recherche über das bewegte politische Leben von Southgate bestätigt sämtliche Vermutungen: Hier wird Musik wieder einmal als populistisches Sprachrohr verwendet, wenngleich deutliche Worte, sei es gedankt, nicht wirklich fallen, aber schon bald in ihrer Bedeutung offensichtlich werden. So bleibt es lediglich dem etwas schwermütigen und zähen Streicherstück "Prelude" als Opener vorbehalten, auf Worte zu verzichten. Denn schon "Demian", unüberlesbar durch Hermann Hesses 1919 veröffentlichte Erzählung inspiriert (der Gott Abraxas dient dem Album gar als Covermotiv), setzt die Essenz des Roman mit majestätisch-orchestraler Instrumentierung und der monotonen, aber eindringlichen Gesangsstimme von Southgate ideologiegeladener um, als sie es tatsächlich ist (sie ist es im Grunde gar nicht). Mit "Diary of Desolation (Part One)" schließt der erste Teil der vom künstlerischen Aspekt her sehr interessanten, musikalisch unterlegten Monologe an: Lediglich von zarten Streichern und einem leisen Piano umrahmt inszeniert Southgate erneut wortgewaltig und voller Dramatik den Tagebucheintrag eines Verzweifelten, der die Sinnhaftigkeit des Lebens und die Bedeutung der persönlichen Freiheit tiefgehend reflektiert. Obschon man sicherlich den ein oder anderen Gedanken Southgates durchaus teilen und nachvollziehen kann, so anstrengend und mitunter nervend ist seine vehemente fragwürdig philosophisch untermauerte Systemkritik, unter anderem angelehnt an Dostojewskis "Schuld und Sühne". Lesenswert sind diese Gedanken, ausschweifend in den Teilen Zwei und Drei ausgebreitet, aber allemal, um sich selbst ein Bild dieses zweifelhaften Künstlers zu machen. Auch bei "She walks in beauty" wird wieder auf einen namhaften Literaten zurückgegriffen. Trotz der als äußerst gelungen zu bezeichnenden Vertonung, lieblich und fragil anmutend, ohne Bombast, scheint es aber ein wenig ideenlos, statt einer sinnhaften Interpretation Lord Byrons gleichnamigem Gedicht lediglich eine unveränderte Vertonung abzuliefern, wiederum gesungen von Southgate. Stücke wie "Flamme", "Valhalla" und "The modern Saxons" können allesamt mit einer gefühlvollen und facettenreichen, typisch neofolkig-neoklassischen Instrumentierung überzeugen, allerdings nicht ohne wieder eine gewisse Ambivalenz auszustrahlen, denn der unverholene Pathos, die textlich strapaziöse Bezugnahme auf große Denker, Dichter, Philosophen sowie Symbole und Bilder, die zu Recht oder Unrecht diskutierbar sind, sowie die nimmermüde, unschön nationalistische Verklärung des "alten England" und der "englischen Erde" hinterlassen einen bitteren Beigeschmack. Auch bei "Herne the Hunter" vergreifen sich Seelenlicht wieder am Gedankengut literarischer Klassiker, nämlich Shakespeares "Die lustigen Weiber von Windsor" sowie an der schier unerschöpflichen angelsächsischen Mythologie. Ist die musikalische Umsetzung bisher stets bravourös gelungen, hapert es bei dieser theatralisch inszenierten, aber beruhigend wirkenden Erzählung, die vor allem durch die eindringlichen Stimmen von Maria Southgate und Eustacia Vye lebt, an der Gesangsleistung Troy Southgates. Ähnlich den Stücken von "Diary of Desolation" ist auch das zweiteilige Gedankenepos "Idle Thoughts On The Janus Shore" konzipiert. Im Gegensatz zur Trilogie verliert sich Southgate bei diesen beiden Stücken glücklicherweise nicht in einem zähen Lamento, sondern malt in glühenden, bildhaften, poetischen Worten (ohne die pflichtschuldige Aufzählung wichtiger Gottheiten oder literarischer Figuren kommt man aber leider auch hier nicht aus) und dramatisch-sphärischer Instrumentierung ein atemberaubendes Bild tiefer Empfindungen und Gefühle beim Betrachten von Ebbe und Flut, ein Bild dessen, wie es sich anfühlt, die Naturgewalten und deren Überraschungen unglaublich nah und intensiv zu spüren. Wie wunderbar es Seelenlicht dann doch noch gelingt, textlich eigenständig zu arbeiten, beweisen auch die herrlich grotesk-romantische gothic murder ballad "Love’s final hour", die durch Maria Southgates liebliche Stimme wie Balsam wirkt, aber im Verlauf der Geschichte inhaltlich in einer dramatischen Tragödie endet. Getreu dem Motto "Das Beste kommt zum Schluss" entpuppt sich schließlich das von Butow Maler in Deutsch verfasste und von Troy Southgate mit liebenswertem Akzent vorgetragene Stück „Seelenlicht“ zur Perle des Albums – schwingt ihn ihm doch eine unzerstörbare Schönheit, zärtliche Melancholie und tiefer Frieden mit, leise, romantisch und betörend. Angesichts der hochklassigen Instrumentierung, des wunderbar umgesetzten Artworks (sämtliche Fotos im umfangreichen Booklet, das alle Texte enthält, stammen von Butow Maler) kann "Gods and Devils" in jedem Falle zum Antesten motivieren. Es bleibt abzuwarten, mit welchen Inhalten sich "Seelenlicht" auf ihrem zweiten Album beschäftigen werden, das bereits in Arbeit ist. Allerdings ist schwer vorstellbar, dass sich Troy Southgate davon abhalten lassen wird, weiterhin seine wirren, oft verirrten und aus den unterschiedlichen philosophischen und politischen Strömungen sowie Religionen verqueer zusammengestrickten Ansichten zu verbreiten. Musikalisch ist das Album sehr zu empfehlen, inhaltlich über einige Strecken aber ein echtes Ärgernis.