‚Mein Name ist Christopher von Deylen und ich bin Schiller’ lässt der deutsche Elektro-Prog-Popper während seiner Konzerte verlauten. Das ist wohl war, die DVD beweist jedoch, dass es noch sehr viel mehr braucht um das Live-Konzept der Projekts aufgehen zu lassen: eine versierte Band und jede Menge Gastsänger. Und dessen ist sich Herr von Deylen auf jeden Fall sehr bewusst, hat er doch ein Händchen dafür sich mit den richtigen Menschen zu umgeben, die seine bisweilen psychedelischen Instrumentals mit neuem Leben erfüllen und der breiten Masse zugänglich machen. Das wird besonders deutlich, wenn man auf der DVD die Tracks hört, an die man sich aufgrund der charismatischen Stimmen besonders erinnert, bei denen die Akteure aber zum Konzerttermin keine Zeit hatten: der von Xavier Naidoo interpretierte Titeltrack zur Tour, ‚Sehnsucht’ oder aber auch Heppners ‚Dream of You’. Aber es können ja auch nicht alle dabei sein und mit fünf Gastsängern an diesem Abend steht man sowieso überdurchschnittlich gut da! Die Doppel-DVD zur Sehnsucht-Tour umfasst das Konzert aus dem Kölner Palladium, sowie eine Menge Extras, so dass die Spielzeit sagenhafte 260 Minuten beträgt. Um die Atmosphäre richtig auf Celluloid bannen zu können, zeichneten ein Dutzend Kameras das musikalische Ereignis aus verschiedensten Perspektiven auf. Keine waghalsigen Kamerafahrten aber ein gut zusammen geschnittenes Ganzes ergibt sich daraus. Sowohl die imposante Lightshow als auch die souverän agierenden Musiker kann man so zu Hause noch einmal erleben. Neben der stimmlich großartigen Stammbesetzung der Vokalisten der Sehnsucht-Tour, Kim Sanders, Jette von Roth und Jael, sind an diesem Abend noch die skandinavische September und Ben Becker dabei. Letzterer, genial krank wie immer, bildet sicherlich eines der Highlights des Abends. Nicht ganz neu die Idee, Herrn Becker zu elektronischen Flächen rezitieren zu lassen, gab es das doch bereits bei Alvarez’ Zeitmaschine, allerdings kann man davon auch nicht genug bekommen und wünscht sich so noch mehr dieser Kollaborationen. Eine weitere Poetin, wenn auch mit mehr Melodie ist Jette von Roth, die vor allem mit ‚Black’ ein wirkliches Glanzlicht des Sehnsucht Albums geschaffen hat. Anne Maria Mühe kommt bei ‚Denn wer liebt’ leider auch vom Band, dafür ersetzt Christian Kretschmar kurzerhand am Cello gekonnt das Babelsberger Filmorchester, so dass auch diese Nummer live aufgeht. Dass die erste DVD im 5:1 Sound abgemischt ist, hört man am besten bei den Klassikern, wie ‚das Glockenspiel’, deren dominante musikalische Leitmotive dem Surround-Sound natürlich auch entgegenkommen. Ebenfalls bewusst wird bei solchen Beiträgen das ausgereifte Spiel mit an- und abschwellender Dynamik in den Songs von Schiller, insbesondere auch beim letzten Song vor der Zugabe: ‚Let me love you’. Zunächst verträumt steigert sich der Parade-Song von Kim Sanders in sieben Minuten zu einem kraftvollen Epos, das die Schiller-Fans dazu bewegt, den finalen Applaus noch etwas stärker ausfallen zu lassen. Die Zugabe eröffnet eine technoide Instrumentalversion von ‚Dream of You’ und mit ‚Ruhe’ entlässt man das Publikum nach zwei Stunden endgültig in das Kölner Nachtleben… … dachten sich Schiller. Aber da wäre ja noch DVD 2 und der verrückte Ben Becker der selbst sagt ’Ich wäre ja nicht der Ben, wenn ich nicht noch eine Überraschung hätte!’. Und so bewegt Herr Becker die Band eine weitere Zugabe zu improvisieren, während er den Anfang des Johannes Evangelium liest. Eine gelungene musikalische Spontanleistung wird daraus, was allerdings nicht überrascht, wenn man bedenkt, dass die Band während anderer Konzerte auch neue Stücke improvisierte, die es teilweise auch auf die ‚Sehnsucht Live’ Doppel CD geschafft haben. ‚Sommer der Sehnsucht’ nennt sich die zur Tour entstandene Dokumentation bei dem alle involvierten Künstler zu Wort kommen und auch interessante Informationen zu Ton und Licht preisgegeben werden. Inklusive der Lang Lang Kooperation sind zusätzlich sechs Videoclips enthalten, von denen der ‚Sehnsucht’ Clip mit Anna Maria Mühe sicherlich künstlerisch heraussticht. Und dem noch nicht genug sind etliche Making-Ofs und Doku-Clips mit auf der DVD, die bspw. Schiller in den Vorbereitungen zum Support-Slot von Depeche Mode in Athen zeigen. Fazit: die Sehnsucht DVD erfindet zwar das Rad der Musik-DVDs nicht neu, allerdings muss man vor Schiller jedes Mal den Hut ziehen wenn man sieht, mit welcher Sorgfalt seine Releases zusammengestellt sind, wie der Umfang des Dargebotenen das Fanherz nicht höher schlagen lassen könnte und wie dabei auch die Qualität der Beiträge nicht leidet. Qualität ist auch das Stichwort zur Aufmachung der Veröffentlichung: wie schon bei der Deluxe-Edition des regulären Albums sind die Tonträger in einem Hardcover Buch eingelegt, das die Tour auch visuell noch einmal ins Gedächtnis ruft. Einzig das teilweise sehr verwaschene Bild und die fehlende DTS-Tonspur geben Anlass ein Pümktchen von der Bestnote abzuziehen.