Der erste Eindruck ist ein trügerischer... er lässt einen glauben, dass blonde Gift Noxx sei urplötzlich in mafiöse Aktivitäten verstrickt. So ganz die klassische Nummer. Erst bekommt man 'nen toten Vogel vor die Tür geklatscht & dann flüchtet sie per "Flight 257" im Opener. In "Russian Dream" parliert sie überraschend phonetisch perfekt über Moskauer Nächte & da war doch früher schon mal was mit Exxtasy! Auch könnte man ihre Hintermänner Winus Rilinger, Thomas Steuer & Guido Müller gewissermaßen schon als Kartell der elektrisch aufgeladenen Songs bezeichnen... Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht, die kleinste gemeinsame Schnittmenge ist auch auf Longplayer Numero 7 noch immer nicht ihre Sache. Man ist ja, & das nicht nur bei ihr, viel zu empfänglich für subtile Wortspiele & schnelle zweckmäßige Reaktionen. Das Bedürfnis nach Rausch & die doch stets nachfolgende Ernüchterung ist etwas ganz alltägliches, alles eine Frage der Dosis. Substanz wäre vielleicht ein bezeichnenderer Titel für dieses animalische Gesamtkunstwerk gewesen. Die braucht es für den ersten Rausch, für das Bestehen im individuellen Umgang miteinander... die hat dieses Output, was sich wieder mal nicht mit den üblichen zehn 3-Minuten-Tracks begnügt & selbstredend die Lyrics. Jeder Satz ist ein Statement, was in seinem Spiel mit den Stimmungen die Extreme auslotet. Jeder Song zelebriert detailiert Höhen & Tiefen mit raffinierten Elektro-Analogismen nebst dezentem Hang zur Hymne. Grade noch vermittelt kantig basslastige Retrotech mit pointierten perkussiven Sprenkeln mehr Klangtiefe & dann wechselt man unangemeldet in eine nonverbale Gefühligkeit aus Arpeggios samt akustisch anmutender Klaviaturfarben. Ihre Kunst liegt darin, Floor-Filler ohne Ohrwurmüberzüchtung mit melancholischen Momenten kontrastiert verbinden zu können. In den unterschiedlichsten Klangzonen unterwegs zu sein, ohne sich dabei irgendwie in Experiementen zu verlieren. Liebhaber müssen jedoch nicht auf bekannte Trademarks verzichten, welche inzwischen bei den Arrangements gerne auch mal um die Ecke denken & Kolorierungen von vergangenen Kollaborationen für sich adaptiert haben. Ergo, eine typisch bemerkenswerte XX, welche ihr Potential manchmal erst beim zweiten, dritten Durchlauf offenbart & deren Texte alle weiteren Male noch provozieren. Liebe, Leid & Leidenschaft... vorgetragen mit dem notwendigen Respekt & gleichzeitig mit angemessener Respektlosigkeit. Mehr Fetischistin als Feministin, ohne Fremdscham oder kompliziertem zerreibendem Pathos. Wer nach einfachen Antworten sucht, ist hier falsch. Stereotype sucht man hierauf vergebens... Obwohl, eines wird man sicher wieder hören: Sie sprechsingt! "Prepossessing" beeindruckt dazu noch mit einer nach vorne gehenden Remineszens an David Harrow. Die Geheimloge des EskannnureineAnnegeben-Mantra wird sich ungeheuer bestätigt fühlen, ihr vielleicht erneut ein tatsächliches Eigenleben absprechen wollen. Und dabei wäre Frieden eigentlich so einfach... ein wenig Vergeben angesichts der Tatsache das es etliche Passagen gibt bei denen ich vergebens im Booklet nach dem Namen einer vermuteten Gastsängerin suchte, ein bischen Größe & etwas Dank. Allein schon für "Your Song". Es kommt selten vor, dass es mir noch beim hören kalt den Rücken hinunterläuft. Das war so ein Moment! Er wird wohl niemals wieder so intensiv erlebt wie nach dem ersten Begreifen. Auch wenn einem dies zumindest unterschwellig bewusst ist, will man es doch trotzdem immer wieder & natürlich "Deeper". Welches wohl garantiert als nächste Auskopplung ansteht. Wetten, dass...? In(t)oxxication zeigt ihre musische Bandbreite, ihre ganze Persönlichkeit auf & natürlich könnte man auch versuchen, es sich hier etwas einfacher zu machen, die Musik von Sara Noxx mit herkömmlichen Sätzen oder Vergleichen zu umschreiben... Doch man muß versuchen ihre Songs nicht nur zu hören, sondern zu erfühlen. Auch, oder gerade, weil die Lektüre fremder Tagebücher ja immer diesen kleinen voyeuristischen Touch hat... ;-)