Was macht man in einer Berghütte, eingeschlossen vom Schnee, Stromausfall, nur das warme Licht des Kamins und Kerzenschein…und man ist vollkommen allein? Angst bekommen, sich langweilen oder einfach einen Song schreiben. So geschehen bei Rascal von Rotersand. Mittlerweile ist „I cry“ Namensgeber und Titelsong einer EP und gleichzeitig Release-Premiere auf dem neuen Label Trisol. Die EP kommt im schicken glänzenden und aufklappbaren Digipack samt Bonus-DVD daher. Die aufwändige Verpackung macht schon einmal Appetit auf den Inhalt. Und das zu recht… Disk 1 hält ausschließlich neu arrangierte oder bisher unveröffentlichte Songs bereit. Es überrascht dabei nicht, dass trotzdem alle Titel den für Rotersand bekannten Hang zu Emotionalität und Pathos in sich tragen. Gleich zu Beginn „I Cry“ - Titelsong und Singleauskopplung des aktuellen Albums „1023“. Der Song wurde einer kleinen Schönheitskur unterzogen und tauscht dem Titel nach zu vermutenden tiefen Herzschmerz gegen ein clubtaugliches Artwork. Für den balladesken Teil ist eher das ergreifend traurige „I Am With You“ zuständig. Hier steckt zärtliche Hingebung zwischen jedem Wort und Ton. Rotersand bleiben damit ihrer Tradition treu und geben auch dieser Veröffentlichung eine wunderbare Ballade mit auf den Weg. Ihr Händchen für berührende Balladen wäre damit erneut eindrucksvoll bewiesen. Die weiteren Tracks zählen dann zur Kategorie Tanzflächenfüller mit Anspruch. Die neuen Titel „Call Me Stupid“ und „Mission“ fügen sich wunderbar in das Produkt Rotersand ein. Hoher Wiedererkennungswert und Eingängigkeit. „Mission“ hält durch den Gastsängerpart von Jay Smith (Deviant UK) jedoch eine neue Stimme bereit. Der Autoaggression Remix von „Shelter“ ist für mich der Remixglanzpunkt der Platte. Die minimalistische Ader des Remixers bildet eine reizvolle Symbiose mit der Detailverliebtheit des Rotersand-Sounds. Für den Abwechslungsreichtum der EP noch das I-Tüpfelchen. Disk 2 bietet dem Käufer der Bonus Version zusätzlich ca. 50 Minuten Videomaterial der Band. Interview und drei Live-Titel wurden aufwendig überarbeit und zu einem absolut unterhaltsamen und bisweilen amüsanten Wechsel aus Interviewsequenzen und Liveaufnahmen zusammengeschnitten. Während das Interview Ende vergangenen Jahres vor dem Popkomm-Auftritt in Berlin aufgezeichnet wurde, stammen die Livemitschnitte von der „Skyshaper Tour“ mit Covenant, aufgenommen in der Live Music Hall, Köln. Das Interview ist wunderbar gelungen. Es wirkt etwas unvorbereitet und damit einfach natürlich, ehrlich und herrlich erfrischend. Thematischer Schwerpunkt liegt auf dem aktuellen Album „1023“ und das reicht in diesem Fall von Tanzmariechen über kleine Satelliten bis hin zu Kompost. Eine bunte Mischung witziger Geschichten und interessanter Fakten. Mit „Last Ship“, „Exterminate, Annihilate, Destroy“ und „Undone“ hat man sich dann drei Stimmungsgaranten für den Livepart ausgewählt. Was mich aber bereits bei der Covenant-DVD gestört hat, mindert auch hier etwas den Spaß. Die Aufnahmen geben nur die Band, dafür aber nicht das Publikum wider. Dadurch geht das eigentlich wunderbare der Konzerte, nämlich die Atmosphäre, verloren. Da kann selbst ein Kracher wie „Exterminate, Annihilate, Destroy“ nicht die Kraft und Magie entfalten, die klatschende Hände und andere Zufriedenheitsbekundungen auslösen. Aber dessen ungeachtet, Rotersand machen hier Appetit und zwar Appetit auf mehr. Das Potential des hier gezeigten reicht deutlich über 50 Minuten hinaus. In dem sympathischen und herzlichen Text im Booklet will das Trio seinen Fans aber in dieser Hinsicht nichts versprechen. Es wäre jedoch zu schade, wenn das Experiment Live-DVD einmalig bleiben würde. „I Cry“ ist ein rundum gelungener Einstand bei Trisol und für alle Fans eine absolutes ‚must have‘. Hier spürt man zwischen jeder gesprochener, gesungener und geschriebener Zeile Leidenschaft. Da bleibt nur zu hoffen, dass die nächste Veröffentlichung nicht so lange auf sich warten lässt.