‚We are vanishing‘ verkündet Philipp Münch und beweist damit das Gegenteil – nach 33 Jahren ist The rorschach garden so produktiv wie eh und je. Der gute Mann blickt inzwischen auf einen unüberschaubaren Katalog von Alben, Singles und Compilationbeiträgen zurück und diese Zahl quadrubbelt sich auch noch, wenn man auf die Veröffentlichungen seiner anderen Projekte blickt. Ich gerate nur zeitweise in Kontakt mit Münch, wurde bisher nur warm mit den smoothen Sounds vom The rorschach garden (natürlich mit dem bis heute genialen „State protection“) und jedes Mal gestaltet sich der Kontakt sehr unvorhersehbar. Die letzten zwei Versuche waren mau – 2017 mit ‚Everything must burn‘ und gerade erst im April mit ‚Grain culture‘ hatte ich so gar keine Freude. Beide Alben zeigten, dass das Genre eben arg enge Grenzen hat und Minimalpop für mich nur funktioniert, wenn man Herzblut und Emotionen einflechtet in die immergleichen Sounds. Denn progressive Songstrukturen und klangliche Experimente suchte man genauso vergeblich wie Abwechslung bei den Vocals. Jedoch, ich sah das Cover des neuesten Werkes und hatte irgendwie das Gefühl, dass ich zumindest einen Probelauscher wagen sollte. Gesagt-getan.

Also kommen wir zunächst zu den negativen Aspekten des Albums: Wie immer klingt alles nach The Rorschach Garden – analoge Sounds, Minimalpop und Münchs sehr unbeweglicher (Sprech)Gesang. Niedliche Melodien treffen auf monotone Rhythmik, mal Klong-Tschak, mal härtere Beats. Dazu kommen ganz sachte Experimente wie der dezente Einsatz von E-Gitarren. Alles beim Alten an dieser Stelle, was jetzt nicht per se negativ ist, aber das Spektrum der Möglichkeiten arg einschränkt. Denn Aha-Erlebnisse oder Überraschungen werden so im Keim erstickt und bei dieser opulenten Diskographie stellt sich selbst für Sammler die Frage, ob es noch ein weiteres Album sein muss. Auch die Zahl der Titel, 14 an der Zahl, und die Spielzeit von fast einer Stunde bedeutet einfach sehr viel vom Ähnlichem.

Und trotzdem schreibe ich hier über ‚We are vanishing‘, tue es mit Überzeugung und hinterlasse am Ende eine Empfehlung. Denn irgendwie ist es Münch gelungen, die Menge der nett-guten Lieder extrem zu verdichten und ich zähle für mich ganze sieben Songs, die in mir das alte The rorschach garden Glück weckten, das ich beim Hören des selbstbetitelten Albums aus 2004, im Kontakt mit ‚Our japanese friends‘ und in der wunderbaren „The toy factory‘ empfand. Der Niedlich-Faktor ist zwar deutlich zurückgenommen, The rorschach garden klingen etwas seriöser und vor allem die Beats wummern bisweilen recht hart aus den Lautsprechern. Aber auf Albumlänge klingen die Songs nicht (nur) nach Massenproduktion, oder Münch hatte dieses Mal an den Reglern etwas mehr Glück. Schallten die beiden oben genannten Alben an mir vorbei, ohne mich zu bewegen und nervten nach einigen Songs regelrecht, so spüre ich hier Energie, Spielfreude und Druck – ja, das kann man sich gerne gönnen. „Winter reqiem“ und „Concrete city concrete walls“ sind schon einmal toll als Einstieg und der Block von vier sehr starken Songs ab „The grey array“ sollte entscheiden können, ob man dem Album mehr Zeit und Münch, beziehungsweise dem Label Ant-Zen etwas Geld zukommen lassen möchte. Danach wird es abgesehen von „Drowning in the lake of our mistakes“ eher beliebig, sodass ich der zweiten Albumhälfte etwas mehr Bedarf an liebevoller Nachbesserung attestiere, aber bis dahin ist ‚We are vanishing‘ wirklich stark.

Zusammen mit einem schön gestalteten Cover ist ‚We are vanishing‘ ein wunderbarer Beweis dafür, dass The rorschach garden eigentlich ein potenziell großartiges Projekt ist und Münch mit einer stark ausgedünnten Diskographie, aufgeräumten Alben (vielleicht reduziert auf fünf Stück) wesentlich mehr Eindruck hinterlassen hätte. Die Masse und Beliebigkeit weiter Teile der Diskographie führten zu einer Übersättigung, die den Erstkontakt stark erschweren und die es dem Fan schwer machen, motiviert am Ball zu bleiben. ‚We are vanishing‘ kann man 2021 jedem empfehlen, der die genannten drei Alben aus den frühen 00ern mochte. Und sollte man dem Projekt tatsächlich noch gar nicht begegnet sein, so ist dies auch ein guter Start.

 

The rorschach garden

We are vanishing

 

21.06.2021

Ant-Zen

 

https://ant-zen.bandcamp.com/album/we-are-vanishing

 

01. Winter requiem
02. Merry go round
03. Concrete city concrete walls
04. Temple dance
05. The grey array (in between dreams mix)
06. The great fog
07. Rattlesnake
08. End of the story
09. A means to a start
10. Magic side
11. Another way to say i love you
12. Things i always wanted to do
13. Drowning in the lake of our mistakes
14. Glacier