Nun ist es soweit, Agonoize veröffentlichen nach mehrjähriger Schaffenspause ihr neues Werk "Revelation Six Six Sick". Mit "666 Degrees below" gelang der Berliner Hellektro-Combo ja bereits ein beachtlicher Vorbote in Form einer EP. Mit 13 Titeln auf dem eigentlichen Album und nochmals zusätzlich 6 weiteren auf der Bonus-Scheibe erwartet mich auch ein dick gezurrtes Gesamtpaket, das eine Menge Spaß verspricht. 18 Jahre und nicht leiser, das ist Programm.

"666 Degrees Below", "Angst ist Macht", "Faux Amis", "Komakind" und "Dein Gott" sind ja bereits, zumindest in Remix-Versionen von der Vorab-EP bekannt.

"Made in Hell" beginnt dann auch bedrohlich auf- und abschwellend, bevor der Synthbass die Richtung weist. Treibend, stampfend mit einem Aggro-Synth packt der Song mich am Kragen. "Haben wir den Weg verlor'n? – Cause we are made in Hell". Das ist Gesellschaftskritik ala Agonoize. Wo wir grad bei Kritik sind, bei "A Hole" macht Chris dann gleich mit ein wenig Selbstkritik weiter. Irgendwie habe ich aber das Gefühl, dass das weniger eine kritische, sondern eher eine gefällige Selbstbetrachtung ist. Arschloch sein und Spaß dabei. Jup, so kann das Leben sein. Ist der Ruf erst ruiniert…  "666 Degrees below" trampelt dann tapfer voran und bestätigt nochmals den guten Eindruck, den der Titel bereits auf der EP hinterlassen hat. Besonders gefällt mir an dem Song der leicht veträumte Synth im Strophenhintergrund. Mit "L.ove I.s LO.st." findet sogar weiblicher Gesang im Hintergrund Eingang in die AggroTech-Gewandung. Das finde ich einen guten Ansatz. Ich denke aber dem Song hätte es besser getan, wenn dieses Element nicht so dezent eingesetzt worden wäre. Mit "Komakind" begegnet mir nun ein weiterer Bekannter. Der Song gefällt mir auch in der Albumfassung sehr gut. Zumal hier noch der beißende Zynismus eine Schippe draufbekommt. Eines meiner Highlights auf der Scheibe, definitiv. Obwohl er mir ein wenig die Lust auf das ein oder andere Bierchen verdirbt. "Mststck" lässt fast einen Blick in das verrottete Herz von Agonoize zu. Klingt doch fast etwas wie wehmütige Liebe an. Der Song weiß zu überzeugen mit einer gefälligen Hookmelodie. Themenbezogen wird auch der Härtegrad gefühlt etwas heruntergenommen.

Man kann ja immer wieder Titel interpretieren und für sich selbst entscheiden, was man genau mit Texten für die eigene Wahrnehmung veranstaltet. "Angst ist Macht" bezieht für mich thematisch Stellung zur gegenwärtigen Corona-Pandemie und zu der unglaublichen Agonie, in der unser Land versinkt. Der Titel ist für mich der beste des Albums, denn fernab von Provokation oder politisierenden Phrasen richtet sich hier der Blick nach innen und es wird anschaulich, was die Situation mit einem Menschen machen kann. Vielen Dank für diesen Song. Choral anmutende Klänge bilden den Einstieg zu "Hetereodoxie". Rituell geht es im Hintergrund zu Werke, während der Synthbass und das E-Drum Agonoize's Anklage gegen religiöse Bekehrungsbestrebungen untermauern. "Faux Amis" ist auch bereits ein Bekannter. Obwohl er eine ziemlich eingängige Synthmelodie aufweist kann er mich nicht ganz so überzeugen wie die bisherigen Titel. "Love to Hate" bildet mit seinem Text in englischer Sprache den nächsten Aufhorcher der Scheibe. Man kann durchaus erkennen, dass hier eine Lobeshymne an den Hass erschaffen wurde. Eine andere Zweckbestimmung hat der Text nicht. Und das ist in ein durchmarschierbares Tempo gekleidet. So wird denn dieser Song auch auf den Tanzflächen sicherlich gut angenommen. "Bei "SubMissioNary" wird es schlüpfrig, wenn der "Heiland" durchaus weltlichen Gelüsten nachgeht. Folgerichtig greift "Dein Gott" im Anschluß das Thema Lästerung auf wesentlich härtere Weise wieder auf. Angeprangert wird die Bevormundung, die Gleichmacherei und die Erwartung, dass sich alle Menschen dem Geiste der Religion unterwerfen. Also wieder genau mein Thema. Der Song gefiel mir auch schon auf "666 Degrees below". Zumal er eine wirklich geniale Wendung im Mittelteil hat. Feierstimmung!!! Mit "Age of Depression" haben wir nun schon den Rausschmeißer des regulären Albums. Leider fällt dieser in der Gesamtbetrachtung wieder etwas zurück, da er sich eher nach Schema-F des Hellektro-Baukastens anhört.

Auf der Bonusscheibe eröffnet "666 Degrees Below" in der Frozen-Version. Die Idee den Titel komplett zu delaborieren ist eigentlich ganz nett, aber irgendwie holt mich diese Version nicht ab. Zu schleppend und lahm wirkt es auf mich. Und irgendwie klingt das Ganze auch etwas zu verschoben. "Mststck" in der Sucht-Version macht schon eher etwas her. Wesentlich verspielter und gefälliger als das Original biedert es sich förmlich den im Strobo versinkenden Tanzflächen an. "Tease and Denial" ist wieder so ein Hellektro-Titel, der seinen Platz auf der Bonusscheibe verdient gefunden hat. "L.ove I.s LO.st." in der Fallen-Version schafft es dann endgültig die sehnsüchtige Seite des Textes herauszukehren. Dieser Mix ist definitiv ein Mehrwert, da er sich wirklich schön einschmeichelt. "Every Day, I Die" ist die Trostlosigkeit schlechthin und kann eigentlich als gemäßigtes Pendant zu "Angst ist Macht" interpretiert werden. Hier ist der Song, der auch auf das eigentliche Album gepasst hätte. Zumal er hier tatsächlich einen schönen Bruch dargestellt hätte. In "Krank" beherrscht wieder die Wut auf selbstdarstellerische Egomanen die Szenerie. Zum Abschluß also noch ein schöner Wegstampfer.

Insgesamt hält "Revelation SixSix Sick" das gegebene Versprechen auf voller Länge von immerhin fast 90 Minuten. Ein wirklich gutes Stück Musik für die endlos erscheinenden Pandemie-Lockdowns. Was ich nicht erwartet hätte ist die Tiefgründigkeit, die stellenweise aufblitzt. Da steckt wirklich mehr dahinter als pures Electro-Gestampfe. Wer eh schon die Musik der Band mochte, wird hier seine wahre Freude haben. Aber ganz sicher erschließen sich die Berliner Jungs auch eine komplett neue Hörerschaft, die bis jetzt eher nichts mit Agonoize anfangen konnten. Denn das Dargebotene geht weit über pures Oberflächenkratzen hinaus. In diesem Zusammenhang macht auch das Cover etwas deutlich, was sträflich vernachlässigt wird. Was machen die gegenwärtigen Zustände mit uns, der Gesellschaft und wie sieht unsere Zukunft aus? Eine Frage, die von Tag zu Tag wichtiger wird!

Die verschiedenen Bezugswege für die Editionen könnt ihr auf der SEITE DES LABELS einsehen.